Das Prinzip Hoffnung Dax traut sich was
17.03.2011, 17:40 UhrDie Börsen stehen weiter im Zeichen der Atomkrise in Japan. Die Hoffnung auf eine erfolgreiche Kühlung des AKW Fukushima lässt die Kurse diesmal steigen. Auch wenn niemand weiß, wie berechtigt diese Hoffnung ist. Versicherer profitieren von einer moderaten Schadensschätzung.
Die Lage in Japan bleibt fragil. Die Welt hofft und bangt mit den Nachrichten im "Live-Ticker".
(Foto: REUTERS)
Die anhaltenden Bemühungen um eine Kühlung des beschädigten Unglücksmeilers Fukushima haben die Kurse nach den jüngsten Verlusten wieder steigen lassen. "Es gibt die Hoffnung, dass der drohende Super-Gau in Japan doch noch abgewendet werden kann", sagte ein Händler. "Wie berechtigt diese Hoffnungen sind, weiß derzeit allerdings niemand."
Der Dax lag bei Handelsschluss 2,2 Prozent im Plus bei 6656 Punkten. Für den MDax ging es um 1,8 Prozent auf 9741,09 Punkte nach oben, der TecDax gewann 2,2 Prozent auf 873,22 Punkte.
Insgesamt bleibe die Lage fragil und hänge sehr stark von den jeweiligen Nachrichten ab, sagte ein Analyst. Ingenieure arbeiteten am Donnerstag mit Hochdruck daran, die Stromversorgung wieder in Gang zu bringen, um die Kühlpumpen mehrerer heißgelaufener Reaktoren wieder in Gang setzen. Die Verbindung wird nach Angaben des AKW-Betreibers in Fukushima, Tepco, jedoch frühestens am Freitag stehen. Bis dahin versuchten die Japaner mit Lösch-Hubschraubern und Wasserwerfern der Lage in dem Atomkomplex Fukushima Herr zu werden.
Gelingt die Stromverbindung, wären das "sehr gute Nachrichten und würden die Angst vor einer Kernschmelze aus dem Markt nehmen", sagte ein Händler. Von einer nachhaltigen Erholung wollten Markteilnehmer aber nicht sprechen "Sollte sich die Nachrichtenlage aus Japan erneut eintrüben, kann der Markt schnell wieder drehen", sagte ein Händler. Selbst wenn die Stromversorgung wieder hergestellt ist, stellt sich weiterhin die Frage, ob auch genügend Kühlmittel oder Bor zur Verfügung stehen.
Japans Wirtschaft zittert
Neben der Furcht vor einem GAU in Fukushima beschäftigt auch immer noch die Sorge um das globale Wirtschaftswachstum den Markt. Japan werde in den kommenden Monaten mit seiner Energie haushalten müssen, da mit dem Ausfall mehrerer Kernkraftwerke nicht genügend Strom produziert werde. Das dürfte die japanischen Exporte dämpfen. Andererseits könnte Japan für den Wiederaufbau mehr importieren.
An der Tokioter Börse hatte der Nikkei-Index am Morgen 1,4 Prozent nachgegeben - deutlich weniger als die Wall Street und die Börsen in Europa, deren Verluste sich wie beim Dax auf rund zwei Prozent beliefen. Allerdings zogen japanische Anleger in Scharen ihre Yen aus ausländischen Währungen ab und trieben damit ihre Landeswährung zum Dollar zeitweise auf ein Rekordhoch von 77,16 Yen.
BoJ pumpt weiter Geld in die Märkte
Japans Wirtschaftsminister Kaoru Yosano rief die Investoren auf, Ruhe zu bewahren. Er erwarte, dass die Finanzminister der sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) Japan helfen würden. Noch im Laufe des Tages wollten G7-Minister in einer Telefonkonferenz beraten. Japans Notenbank pumpte erneut weitere 45 Mrd. Euro in die Märkte, um Engpässe bei der Liquiditätsversorgung der Unternehmen und Banken zu verhindern. Bei den Bewohner in Tokio, die sich für den Notfall mit allem nötigen auszustatten versuchen, kamen die Gelder wegen kaputter Geldautomaten allerdings nicht an.
Der Präsident des japanischen Unterhauses forderte nach einem Bericht der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo eine einwöchige Schließung der Börse und des Devisenhandels, um Turbulenzen zu vermeiden. Nach dem Bericht gaben viele Aktien schon wieder nach.
Gewinne quer Beet
Auch bei Einzelwerten blieben die Folgen des Japan-Bebens das entscheidende Thema. Die Kursgewinne gingen quer durch alle Sektoren. Die vergleichsweise moderate Schadenschätzung des Risikospezialisten Eqecat hellte die Stimmung für die Versicherer wieder etwas auf. Münchener Rück und Hannover Rück legten 4,1 bzw. 3,6 Prozent zu, nachdem sie an den vergangenen fünf Handelstagen jeweils mehr als elf Prozent verloren hatten. Allianz notierten 4,2 Prozent fester. Eqecat nannte für die versicherten Schäden durch das Erdbeben und die Tsunami-Flutwelle eine vorläufige Schätzung von zwölf bis 25 Mrd. US-Dollar. Die Risikomodellierungsfirma AIR Worldwide hatte jüngst die Erdbebenschäden alleine auf 15 bis 35 Mrd. Dollar taxiert.
Deutlich zulegen konnten im Dax auch Siemens mit einem Plus von 4,4 Prozent. "Siemens wird als Anbieter von Gas-Turbinen zu den Profiteuren einer Abschaltung von Kernkraftwerken gehören", erklärten die Analysten der Unicredit.
Gefragt waren auch die Aktien von HeidelbergCement, die 4,7 Prozent höher notierten. Der Baustoffkonzern verspricht sich vom Wiederaufbau in Japan zusätzliche Geschäftschancen. Erste Prognosen für dieses Jahr, die auf der Bilanz-Pressekonferenz bekannt gegeben wurden, decken sich zudem mit den Erwartungen von Analysten.
Auch konjunktursensible Aktien gehörten zu den Gewinnern. Sie waren zuletzt angesichts der Atomkatastrophe stark unter Druck geraten. BMW-Papiere stiegen um knapp 2,0 Prozent.
Selbst Lufthansa fanden den Weg noch ins Plus. Die Titel schlossen 1,3 Prozent höher. Die Fluggesellschaft erwartet im laufenden und im kommenden Jahr trotz harter Zeiten einen höheren operativen Gewinn. "Die Trendwenden im Passagiergeschäft und in der Logistik sind beeindruckend", sagte ein Händler. Detaillierte Zahlen hätten zudem den positiven Eindruck der Eckdaten aus der vergangenen Woche bestätigt.
Die Aktien von Eon und RWE notierten mit 1,3 bzw. 2,1 Prozent ebenfalls im Plus. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Moratoriums zur Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken und der Abschaltung alter Atomanlagen als unbegründet zurück.
In der zweiten Reihe gewannen SGL Carbon mit der gelungenen Rückkehr in die Gewinnzone um 8,7 Prozent. Lanxess gaben dagegen 1,6 Prozent nach. Das Unternehmen hat beim Nettogewinn die Erwartungen verfehlt.
Krones stiegen um 4,2 Prozent, Händler bewerten neue Geschäftszahlen als "kursneutral".
Nach anfänglichen Gewinnmitnahmen zogen auch die Solarwerte wieder an. Händler erklärten, viele Anleger setzten angesichts der Katastrophe in Japan auf alternative Energieanbieter. Die Aktien des Windkraftanbieter Nordex stiegen im TecDax um 13,3 Prozent. Solarworld legten 2,8 Prozent zu. Conergy dagegen gaben ihre Tagesgewinne wieder ab und schlossen 0,4 Prozent leichter.
Hier das n-tv.de Spezial zum Atomunfall in Japan, zum Liveticker geht es hier.
Quelle: ntv.de, ddi/rts/dpa/DJ