Gewinner Mangelware Dax zieht Leine
19.02.2002, 20:15 UhrAuch am Dienstag gibt es wenig Positives aus Frankfurt zu vermelden - die deutschen Standardwerte befinden sich weiter im absoluten Formtief. Während auf der Gewinnerseite nur eine Handvoll Titel glänzten, herrschte auf der Verliererseite fast schon Gedrängel. Insbesondere die schwachen US-Vorgaben schickten den Deutschen Aktienindex auf Talfahrt - hinzu kamen dicke Minuszeichen im Finanzsektor und auch bei den Autotiteln wurde kräftig auf die Bremse getreten. Dies bescherte dem Dax ein Minus von 2,2 Prozent auf 4.764 Punkte.
Der Markt brauche Impulse, woher die kommen sollten, sei jedoch völlig unklar, so ein Händler. Die Stimmung sei einfach schlecht und es bräuchte schon ein paar wirklich positive Meldungen, um die Anleger wieder in Kauflaune zu versetzen. Wenig Positives gab es allerdings am Nachmittag erst mal aus den USA, wo die Wall Street nach dem langen Wochenende mit deutlichen Verlusten eröffnete. Die Sorge um unsaubere Bilanzierungen bei einigen US-Konzernen bestimme in den USA weiter das Bild, hieß. Dass mit IBM am Freitag ausgerechnet einer der bekanntesten US-Konzerne in die Schlagzeilen geraten sei, habe eine echte Vertrauenskrise ausgelöst, die sich natürlich auch in Deutschland auswirken würde.
Im Mittelpunkt auf dem Frankfurter Parkett standen die Automobil-Werte. Volkswagen legte am Nachmittag die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr vor, die zwar auf Rekordniveau, allerdings leicht unter den Erwartungen von Analysten lagen. Nach Angaben der Wolfsburger stieg der Vorsteuergewinn in 2001 um 18,6 Prozent auf 4,409 Milliarden Euro. Analysten hatten durchschnittlich mit einem Vorsteuerergebnis von 4,512 Milliarden Euro gerechnet. Der Umsatz stieg nach VW-Angaben um 6,5 Prozent auf 88,54 Milliarden Euro. Zudem vermied der Autobauer mit Blick auf die unsichere Automobilkonjunktur eine Prognose für das laufende Jahr. Die Aktie fiel 1,9 Prozent auf 50,70 Euro.
Am Mittwoch wird dann DaimlerChrysler die Karten auf den Tisch legen. Einem Pressebericht zufolge herrscht in der Führungsebene des Stuttgarter Unternehmen Uneinigkeit über die eigenen Prognosen. Konzern-Chef Jürgen Schrempp habe die interne Prognose Anfang Februar deutlich nach unten korrigiert, aber immer noch von einem positiven Betriebsergebnis gesprochen. Dagegen habe Chrysler-Chef Zetsche stets lediglich das Ziel "schwarze Null" vorgeben. Am Aktienmarkt sei es daher in den vergangenen Tagen zu "erheblichen Spekulationen " gekommen, so der Bericht weiter. Für die Papiere ging es 4,3 Prozent auf 40,75 Euro nach unten.
Die Anleger seien im Hinblick auf den Ausblick von DaimlerChrysler nervös, so Jim Collins, Analyst bei UBS Warburg. Die Reduzierung der Gewinnerwartung des Unternehmens vor rund zwei Wochen sei äußerst vage gewesen und der Markt suche nach genauen Informationen, so Collins weiter.
Ganz oben auf der Verlierliste standen auch die Bankentitel, was Händler mit der Reduzierung der Ergebnisprognosen des niederländisch-belgischen Finanzkonzerns Fortis begründeten. Die Deutsche Bank-Aktie verlor 5,7 Prozent auf 64 Euro und war damit der größte Verlierer im Dax. Für die HypoVereinsbank ging es 1,9 Prozent auf 32,37 Euro nach unten.
Bei der Deutschen Bank würden zusätzlich Sorgen um die Einnahmen aus fest verzinslichen Wertpapiergeschäften den Kurs drücken, so Derek Chambers von HSBC in London. In diesem Bereich habe die Bank bislang immer gut abgeschnitten, da werde es schwer, das Ergebnis zu wiederholen. Zudem gab es zwei negative Analystenkommentare: Die Commerzbank stufte die Aktie der Deutschen Bank von "Accumulate" auf "Hold" zurück und senkte das Kursziel auf 70 von 82 Euro. Schroder Salomon Smith Barney seinerseits senkte das Kursziel auf 85 von zuvor 88 Euro.
Etwas besser schlug sich die Commerzbank, die nur 0,5 Prozent auf 18,33 Euro nachgab. „Der Titel profitiert noch immer von der Nachricht, dass die Beteiligungsgesellschaft WCM ihren Aktienanteil von einem auf mehr als 5,5 Prozent aufgestockt hat“, sagte ein Düsseldorfer Händler. Zusätzlich für Fantasie sorge die Ankündigung von WCM, die Beteiligung auf knapp 10 Prozent erhöhen zu wollen.
Auch das Bundeskartellamt hinterließ am Dienstag seine Spuren: Die Deutsche Lufthansa hat Ärger mit den Währungshütern. Die Behörde untersagte der größten deutschen Fluglinie am Dienstag das Niedrigpreis-Angebot für die Flugstrecke Frankfurt - Berlin wegen Behinderung des Wettbewerbers Germania Fluggesellschaft. Die Lufthansa-Aktie ging nach anfänglichen Verlusten bei 17,12 Euro praktisch unverändert aus dem Tag.
Bundeskartellamt - die Zweite: Der Energiekonzern E.ON hat wie erwartet eine sogenannte Ministererlaubnis beantragt, um die Ruhrgas AG auch gegen den erklärten Willen des Bundeskartellamtes übernehmen zu können. Man habe beim Wirtschaftministerium am Dienstag eine entsprechende Erlaubnis beantragt, teilte das Unternehmen mit. Das Ministerium kündigte an, Wirtschaftsminister Müller werde im Juni über den Antrag entscheiden. Müller war in die Kritik geraten, da er als ehemaliger E.ON-Manager möglicherweise befangen sein könnte. Die Aktie schloss mit 1,4 Prozent bei 56,22 Euro im Minus.
Zu den großen Verlierern gehörte die Preussag-Aktie. Der Chef der Tochtergesellschaft TUI, Volker Böttcher, schloss bereits am Montag in einem Interview einen Rückgang des deutschen Touristikmarkts in 2002 nicht aus. Zugleich kündigte Böttcher Preisnachlässe für einzelne Urlaubsländer an. Die Preussag-Aktie fiel 4,3 Prozent auf 31,40 Euro.
Unsicherheiten über den Geschäftsausblick und den Ausgang von Rechtstreitigkeiten in den USA belasteten nach Angaben von Händlern die Papiere des Dialyse-Konzerns Fresenius Medical Care. Das Papier sehe fundamental sehr schlecht aus, es gebe große Verkäufer am Markt, so ein Börsianer. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Aktie rund 10 Prozent an Wert verloren. Am Dienstag ging es noch mal 5,6 Prozent auf 58,35 Euro nach unten.
Im Blickpunkt der Anleger stand am Dienstag auch einmal mehr ein MDax-Wert. Die Deutsche Börse legte am Montagabend ihr Ergebnis für das Geschäftsjahr 2001 aus, mit dem das Unternehmen die Erwartungen von Analysten übertreffen konnte. Der operative Gewinn stieg um 28 Prozent auf 278,1 Millionen Euro, der Umsatz verbesserte sich auf 760,3 Millionen Euro nach 648,9 Millionen Euro im Vorjahr. Analysten hatten im Schnitt mit einem operativen Ergebnis von 268,13 Millionen Euro und einem Umsatz von 757,37 Millionen Euro gerechnet. Die Aktie legte 3,4 Prozent auf 44,97 Euro zu.
Quelle: ntv.de