Inside Wall Street Die Arroganz des Öl-Riesen
29.05.2008, 17:10 UhrDa kann der Ölpreis noch so klettern, da können die Gewinne noch so sprudeln bei ExxonMobil herrscht dicke Luft. Die Hauptversammlung in dieser Woche ging wieder einmal nicht ohne Streit über die Bühne, denn die Arroganz der Manager wird den Anlegern immer unerträglicher. Schließlich geht es um die Zukunft des Konzerns.
Denn in den Augen vieler Experten dürfte ExxonMobil seine Glanzzeiten hinter sich haben. Denn: Öl mag zwar im Moment der wichtigste Rohstoff und die weitest verbreitete Energiequelle sein. Auf eine Zukunft ohne Öl – für den äußerst wahrscheinlichen Fall, dass die globalen Vorkommen einmal erschöpft sein sollten – sehen Insider den Dow-notierten Branchenriesen aber nicht vorbereitet.
So schert sich ExxonMobil im Gegensatz zur Konkurrenz nicht allzu sehr um Investitionen in alternative Energien. Dabei werden solche Initiativen bei den Hauptversammlungen seit Jahren diskutiert. Anleger sind frustriert, zumal die Konkurrenz nicht schläft. Wenn man zu lange warte, werde der Einstieg in Technologien der Zukunft einmal sehr teuer und mit dem alten Kerngeschäft nicht zu vereinbaren sein, warnte der New Yorker Großaktionär Stephen Viedermann, der in diesem Jahr eine Eingabe zum Thema gemacht hatte.
Viedermann sieht den Konzern als einen Dinosaurier, der sich bisher seinem wechselnden Umfeld nicht angepasst hat. „Der ExxonMobil-osaurus droht auszusterben“, meint er.
Das Management von ExxonMobil sieht die ganze Sache freilich anders. Zunächst geht man davon aus, dass Öl bis mindestens ins Jahr 2030 die wichtigste Energiequelle für die Weltwirtschaft bleiben wird. Was danach kommt, erörtert man zur Zeit nicht. Zwingen lassen will man sich schon gar nicht; überhaupt hält man die Zahl derer klein, die an der Konzernspitze überhaupt mitreden dürfen.
Vor allem dem CEO Rex Tillerson soll auch in Zukunft keiner widersprechen dürfen. Der 58-Jährige ist seit 2006 Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns, und genau das passt den Anlegern immer weniger – obwohl schon sein Vorgänger, Lee Raymond, beide Ämter inne hatte. Seit sechs Jahren laufen Petitionen für eine Postentrennung. Gestartet wurde die Initiative einst von Robert Monks, dessen Investmentgruppe 110.000 Aktien mit dem Kürzel „XOM“ hält. Sein Gesamtanteil an dem Öl-Riesen liegt damit bei etwa zehn Mio. Dollar.
Monks, von amerikanischen Wirtschaftsmedien hin und wieder verächtlich als „Aktivist“ beschrieben, wünscht sich einen unabhängigen Aufsichtsrat, nicht zuletzt, um neue Initiativen besser beurteilen zu können. In diesem Jahr hatte Monks allen Grund, optimistisch zur Hauptversammlung zu gehen. Denn wenige Tage vorher hatten sich die Rockefeller-Erben seiner Petition angeschlossen, deren Vorfahren einst Standard Oil gegründet hatten – das Unternehmen, aus dem später ExxonMobil hervorging.
Doch auch dem Einfluss der mächtigen Gründer-Enkel widersetzte sich das Management mit Unterstützung einiger institutioneller Anleger. Knapp 40 Prozent der Anleger sprachen sich letztlich für „checks and balances“ aus – damit wurde die Initiative zur Postentrennung zum sechsten Mal abgeschmettert. Ohne Warnung kam das Management aber nicht davon. Man werde Tillerson und seine Mannschaft streng im Auge behalten, sagte etwa der Vertreter des kalifornischen Rentenfonds, seines Zeichens einer der größten Aktionäre.
Bangen wird man in der Konzernzentrale nun wohlgemerkt nicht. Zumal die Doppelrolle für Tillerson in den USA alles andere als außergewöhnlich ist. Knappe 62 Prozent der Unternehmen im S&P-500-Index haben Vorstands- und Aufsichtsrat unter der Führung der gleichen Person; bei weiteren 15 Prozent ist der Aufsichtsratschef der frühere Vorstand.
Quelle: ntv.de