Inside Wall Street Die weiße Inflation
24.08.2007, 10:15 UhrDie Börsenkolumne aus New York von Lars Halter
Ob die Inflation zu hoch ist, um eine Zinssenkung zu verhindern, wird an der Wall Street seit Wochen diskutiert. Dem Verbraucher dürfte das Gerede größtenteils suspekt sein, denn dem ist die Inflation schon lange zu hoch – er muss ja auch für Energie und Lebensmittel zahlen, die Konjunkturbeobachter in ihren Berechnungen ausklammern.
Dabei machen vor allem die hohen Energiekosten regelmäßig Schlagzeilen. Seit Jahren steigen die Öl- und Benzinpreise. Damit wird das Autofahren im Sommer ebenso teurer wie das Heizen im Winter, Unternehmen zahlen mehr für ölhaltige Materialien wie Plastik und für den Transport von Ware zum Kunden.
Weitgehend unbeachtet bleibt der andere Faktor: die schleichende Inflation bei Lebensmitteln. Bestes Beispiel: Milch. Der Kuh-Cocktail wird immer teurer, in weniger als einem Jahr ist der Preis für eine Gallone in den USA von 3 auf 4 Dollar gestiegen – das sind glatte 33 Prozent. Schuld daran sind die gestiegene Nachfrage nach amerikanischer Milch in Ländern mit wenig eigener Produktion und, Ironie des Marktes, wiederum der hohe Spritpreis.
Teures Benzin hat nämlich den Run auf Ethanol als alternativen Treibstoff ausgelöst. Immer mehr Landwirte bauen ihren Mais nun zur Gewinnung von Ersatz-Benzin an, statt ihn an Kühe zu verfüttern. Milch-Farmer zahlen historische Höchstpreise für ihr Futter und legen das auf jeden Liter um, der aus dem Euter tropft. Dass die teure Milch danach auch noch mit Sprit fressenden Trucks in den Supermarkt gefahren werden muss, setzt wiederum ein paar Cent drauf.
Doch langsam scheint sich der Trend zu ändern. Rohstoff- und Landwirtschaftsanalysten glauben, dass der Milchpreis bald wieder auf bis zu 3 Dollar sinken dürfte. Das sei vor allem der höheren Produktivität der Kühe zu verdanken, sagt Ken Bailey von der Universität Pennsylvania. Ob die Tiere wissen, wie teuer der Mais geworden ist, sei einmal dahingestellt. Tatsache ist aber, dass sie mehr Milch geben und einen Teil der Preisanstiege dadurch wettmachen können.
Vielleicht haben auch die Milchbauern dem Vieh gut zugeredet. Wenn der Preis sinkt, ist das nämlich nicht nur dem Kunden wichtig, sondern auch für die Branche. Die Preisflexibiltät bei Milch ist geringer als man von einem Grundnahrungsmittel erwarten dürfte. Die Umsätze seien wegen der höheren Preise spürbar eingebrochen, meint Mark Parrish von der traditionsreichen Crescent Ridge Dairy Farm.
Bei hohen Preisen steige der Verbraucher auf billigere Drinks um – gesundheitliche Bedenken werden beiseite geschoben, wenn's im Geldbeutel eng wird. Auch verwandte Milchprodukte, die wegen höherer Milchpreise teils geringere Margen abwerfen und teils teurer werden, sehen einen Nachfrageeinbruch. Der wiederum fällt auf Unternehmen wie Kraft und Starbucks zurück, die beide in den vergangenen Tagen entsprechende Fußnoten in ihren (allgemein recht starken) Bilanzen hatten. Die Inflation über Milch hat also durchaus Auswirkungen in alle Bereiche Corporate Americas.
Quelle: ntv.de