Marktberichte

Kommt das "Kreditereignis"? Euro verliert an Luft

Deutlich mehr als 75 Prozent, aber weniger als 90: Ist das noch "freiwillig"?

Deutlich mehr als 75 Prozent, aber weniger als 90: Ist das noch "freiwillig"?

(Foto: dpa)

Die unerwartet breite Zustimmung zum Schuldenschnitt für Griechenland löst an den Devisenmärkten starke Bewegungen aus. Der Euro gibt deutlich nach. Beobachter verweisen auf überzogene Erwartungen, auf die ungeklärte CDS-Frage und auf die Angst um Portugal.

Die näher rückende Umschuldung Griechenlands hat bei den Anlegern am Rentenmarkt für Erleichterung gesorgt. Für zehnjährige spanische und italienische Papiere gingen die Risikoaufschläge am Morgen zurück. Italiens Staatanleihen rentierten bei 4,710 Prozent nach 4,814 Prozent im Vortagesgeschäft. Die spanischen Pendants warfen 5,010 Prozent ab nach 5,085 Prozent.

Allein portugiesische Papiere hatten das Nachsehen - die Kurse fielen, die Renditen zogen bis auf 15,311 Prozent an. Händlern zufolge fürchteten Anleger immer mehr, dass Portugal nach Griechenland werden könnte.

Der Euro geriet nach der hohen Zustimmung der Privatgläubiger zum Schuldenschnitt Griechenlands unter Druck. Die Gemeinschaftswährung fiel auf ein Tagestief von 1,3211 Dollar nach 1,3276 Dollar im New Yorker Vortagesgeschäft.

"Dass der Euro von der offizielle Bekanntgabe des gelungenen Schuldenschnitts nicht profitiert, liegt vor allem an den bereits hohen Erwartungen, deutet aber auch darauf hin, dass die Luft nach den gestrigen Gewinnen raus zu sein scheint", urteilte Commerzbank-Analyst Lutz Karpowitz. Am Vortag hatte der Euro mehr als einen US-Cent zugelegt.

Mit der unerwartet breiten Zustimmung der privaten Gläubiger ist die Umschuldung Griechenlands in greifbare Nähe gerückt: Die Annahmequote zum Tausch griechischer Anleihen lag nach Angaben der griechischen Regierung bei 85,8 Prozent. Die Regierung kündigte an, dass es zu einer Aktivierung der Umschuldungsklauseln (CACs) bei den Anleihen nach griechischem Recht kommen wird. Damit würden 95,7 Prozent des gesamten Nennwertes der Bonds in länger laufende und niedriger verzinste Anleihen umgetauscht.

"Die unmittelbare Folge dürfte sein, dass ein Kreditereignis ausgelöst wird und Kreditausfallversicherungen fällig werden", beschrieb Analyst Björn Block von Marcard, Stein & Co die Konsequenzen. Da die Nettopositionen griechischer Kreditausfallversicherungen jedoch eher gering sei und ein Kreditereignis allgemein erwartet worden war, dürfte das seiner Ansicht nach keine neue Marktnervosität auslösen. "Die Kapitalmärkte jedenfalls haben eine Sorge weniger, da eine ungeordnete Insolvenz Griechenlands nun für die nächsten Monate unwahrscheinlicher geworden ist."

Ulrike Kastens von Sal. Oppenheim warnte vor übersteigerten Erwartungen: "Es sieht danach aus, dass die Umschuldungsklauseln CACs rückwirkend kommen werden. Jede Milliarde für Griechenland ist nötig, um ein signifikantes Ergebnis für den Schuldenschnitt zu bekommen. Aber wir dürfen uns keiner Illusion hingegen. Griechenland wird weiter erhebliche Schwierigkeiten haben, die Vereinbarungen mit EU und IWF einzuhalten. Sie werden davon nur einen Teil erfüllen können. Die Prognosen etwa des IWF halten wir für viel zu optimistisch. Deshalb wird es wahrscheinlich noch ein drittes Paket für Griechenland geben. Mittelfristig muss die Förderung des Wachstums stärker im Fokus stehen."

Aus größerer Entfernung stellte sich der Fall Griechenland für einzelne Beobachter deutlich problematischer dar. "Wir warnen seit zwei Monaten, dass Griechenland kollabieren wird, und genau das beginnt im Moment", betonte Suresh Kumar Ramanathan von der CIMB Investment Bank in Kuala Lumpur. "Sollte der (Derivate-Verband) ISDA das Ziehen der (Umschuldungsklauseln) CACs als ein Kreditereignis einstufen, dann haben wir einen öffentlichen Hinweis auf eine Pleite Griechenlands. Für die Märkte wird es entscheidend sein, wie viele der CDS nach einer Aktivierung der CACs gezogen werden."

Auch aus Japan waren skeptische Stimmen zu vernehmen. "Es gibt immer noch viele Unklarheiten über die Details", sagte Sumino Kamei von der Mitsubishi UFJ. "Wir wissen nicht viel über das Timing und die detaillierten Formalien der CACs und darüber, was mit den CDS passieren wird, wenn die CACs aktiviert werden. Diese Unsicherheit könnte den Euro belasten."

Credit-Agricole-Analyst Yuji Saito wies auf die politischen Dimensionen der Problematik hin: "Die Schlagzeilen zu Griechenland entsprechen den Erwartungen. Die wichtige Frage ist nun, ob Griechenland nach den Wahlen im nächsten Monat den vereinbarten Sparkurs beibehält."

Anerkennende Worte fand Christian Schulz von der Berenberg Bank: "Für die Kürze der Zeit ist das ein sehr solides Resultat. Das zeigt das große Interesse der Investoren, Griechenland nicht ungeordnet in die Zahlungsunfähigkeit gehen zu lassen. Damit erfüllt Griechenland höchstwahrscheinlich auch die letzte große Bedingung für das zweite Rettungspaket von 130 Mrd. Euro. Der IWF kann dem nun zustimmen. Jetzt kommt es darauf, ob die Regierung in Athen gemeinsam mit europäischen Partnern das Land wieder auf Wachstumskurs bringen kann."

Mit einer Spur Sarkasmus fasste Commerzbank-Analyst Lutz Karpowitz die Lage zusammen: "Die ,freiwillige Enteignung' ist unter Dach und Fach. Wie die griechische Regierung heute Morgen bekanntgab, betrug die Zustimmungsquote der Anleihegläubiger 85,8 Prozent. Damit wird nun die Collective Action Clause (CAC) aktiviert werden, die auch die Investoren zwingt teilzunehmen, die nicht zugestimmt haben. Insgesamt nimmt der Markt die Meldung mit Erleichterung auf."

Quelle: ntv.de, mmo/rts

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