Bilanztricks auch bei Vivendi? Europa auf Abwegen
02.07.2002, 20:30 UhrDie französischen Konzerne hielten die europäischen Börsen auch am Dienstag wieder in Atem - nach der France Telecom beherrschte Vivendi das Geschehen, allerdings im negativen Sinne. Die Aktie brach nach einer Abstufung der Kreditwürdigkeit und Gerüchten um Bilanz-Manipulationen ein. Der EuroStoxx50 fiel 4,2 Prozent auf 2.999 Punkte, für den Stoxx50 ging es 3,5 Prozent auf 2.965 Zähler nach unten.
Belastend für den Gesamtmarkt wirkten sich auch die erneut deutlichen Kursverluste an der Wall Street aus. Die technologielastige Nasdaq notierte sogar auf dem tiefsten Stand seit fünf Jahren. Es seien vor allem die anhaltenden Sorgen um die Entwicklung der Unternehmensgewinne sowie die Bilanzpraktiken der US-Konzerne, die die Börsen weltweit auf Talfahrt schicken würden, so ein Händler.
Ein Minus von 25,5 Prozent auf 17,80 Euro verbuchte die Aktie von Vivendi Universal, nachdem die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit des Medienkonzerns auf „Müll“ heruntergesetzt hat. Eine französische Zeitung berichtete zudem über versuchte Manipulation in der Bilanz für 2001. Die Franzosen lehnten eine unmittelbare Stellungnahme zu dem Bericht ab. Dem Bericht zufolge haben die Franzosen durch komplizierte Transaktionen versucht, ihre Bilanz um 1,5 Milliarden Euro zu „verschönern“. Die französischen Behörden seien gegen die Methoden der Franzosen eingeschritten, die daraufhin einen Rückzieher machten, hieß es weiter.
Der umstrittene Vivendi-Chef Jean-Marie Messier hat unterdessen seinem Rücktritt unter der Bedingung zugestimmt, dass sein Nachfolger ein Franzose wird. Er werde seine Zukunft in die Hände des Verwaltungsrats legen, der am Mittwoch tage, so Messier in einem Zeitungsinterview weiter. Die Anleger seien nach der Abstufung extrem verunsichert, so ein Händler. Normalerweise hätte der Rücktritt Messiers ein gutes Zeichen sein sollen, in dieser Lage verschlimmere er die Unsicherheit offenbar aber noch.
Panik vor möglichen Abschreibungen auf Engagements in Vivendi Universal schickten die französischen Banken auf Talfahrt. BNP Paribas brachen 9,7 Prozent auf 50,00 Euro ein, Societe Generale verloren 6,1 Prozent auf 62,90 Euro und Credit Agricole büßten 8,6 Prozent auf 20,85 Euro ein.
Weiter nach oben ging es zunächst für die Aktie der France Telecom, die knapp fünf Prozent zulegte, dann aber mit 6,9 Prozent auf 11,00 Euro in die Verlustzone fiel. Die französische Regierung dementierte am Dienstag erneut Gerüchte über eine Wiederverstaatlichung des Unternehmens. Nach Angaben von Händler haben die Franzosen für den Mittwoch zudem ein außerordentliches Aufsichtsrats-Treffen zu MobilCom einberufen.
Zulegen konnte Ericsson. Die Aktie profitiere weiter von Übernahmespekulationen, die am Montag aufgekommen seien, so ein Händler. Einer der Großaktionäre des Handy-Herstellers hatte in einem Zeitungsinterview eine Übernahme des schwedischen Konzerns nicht ausgeschlossen. Ericsson selbst dementierte allerdings sich in Übernahmegesprächen zu befinden, schloss diese aber für die Zukunft nicht aus. Die Aktie gab nach anfänglichen Gewinnen 1,3 Prozent auf 14,90 schwedische Kronen ab.
Unter Druck stand auch die Aktie von Ahold, die 9,6 Prozent auf 19,20 Euro fiel. Händlern zufolge belasteten Gerüchte, ein argentinischer Partner der niederländischen Supermarktkette könne aufgrund der Krise in dem südamerikanischen Land seine Schulden nicht bezahlen und belaste Ahold damit mit 500 Millionen Dollar. Es sei möglich, dass Ahold daher seine Ziele für 2002 nicht erreichen werde, hieß es weiter.
Schlechte Nachrichten gab es für den britischen Versicherer Prudential. Die Investmentbank Morgan Stanley hat ihre Bewertung für die Aktie auf „underweight“ von zuvor „equal-weight“ gesenkt. Die Prudential-Aktie verlor 7,8 Prozent auf 554 Pence.
Größter Verlierer im europäischen Bereich war der irische Pharmakonzern Elan, der um mehr als die Hälfte auf 2,45 Euro einbrach. Der finanziell ohnehin angeschlagene Konzern hatte bekannt gegeben, dass durch die geplante Restrukturierung sowie die Neubewertung von Beteiligungen signifikante Belastungen für die Bilanz kämen.
Quelle: ntv.de