Nokia gibt Gummi Europa gibt Gas
27.06.2002, 20:20 UhrDie europäischen Aktienmärkte haben am Donnerstag etwas fester tendiert. Der WorldCom-Schock scheint nach Händlerangaben einigermaßen verdaut. Die Verlierer von gestern waren die Gewinner von heute - als Kurstreiber erwiesen sich insbesondere die Hightechs. Fester präsentierten sich aber auch die Versicherungswerte. Erst mit Eröffnung der US-Börsen ließ der Schwung wieder etwas nach. Der Eurostoxx 50 stieg 1,8 Prozent auf 3.003 Punkte, für den Stoxx 50 ging es 1,5 Prozent auf 2.950 Zähler nach oben.
Einen echten Aufwärtstrend gebe es allerdings nicht, die Zugewinne seien nur technischer Natur, warnten einige Händler. Es gebe keine Nachrichten, die eine langfristige Erholung unterstützen können. Andere Händler zeigten sich allerdings bereits optimistischer gestimmt. Der Skandal bei WorldCom sollte der letzte dieser Art gewesen sein, so Thierry Lacraz von Pictet & Cie. Er erwarte eine Aufwärtspotential zwischen 10 und 15 Prozent während der kommenden vier bis fünf Wochen, angeführt vor allem von den angeschlagenen Telecom-Ausrüster wie Nokia, so Lacraz weiter.
Die Nokia-Aktie gehörte am Donnerstag zu großen Gewinnern und legte 3,1 Prozent auf 13,53 Euro zu. Die Analysten von Goldman Sachs hatten zuvor das Gewicht von Telekomausrüster in ihrem Musterportfolio erhöht. Übrigens ist Nokia nach dem finnischen Ort Nokia benannt, wo vor über 90 Jahren eine Fabrik für Gummistiefel entstand, welche später Reifen baute. Erst anschließend begann die Produktion von Fernsehgeräten, Videorecordern und Mobiltelefonen.
Weiter unter Druck stand allerdings Alcatel. Der französische Telekom-Ausrüster fiel knapp 6 Prozent auf 7,35 Euro. Am Mittwoch hatte das Unternehmen eine Gewinnwarnung ausgegeben und weitere Restrukturierungsmaßnahmen angekündigt. Nach Angaben von Händlern hat die Investmentbank Morgen Stanley das Kursziel für die Aktie auf 7 von zuvor 9 Euro gesenkt.
Fester tendierten auch Finanzwerte und Versicherer. ING legte 3,3 Prozent auf 24,30 Euro zu. Aegon verbesserte sich ebenfalls um 3,3 auf 19,84 Euro und die CS Group legte 3,7 Prozent auf 44 Schweizer Franken zu.
Auch im Chipsektor lief es glänzend: ST Microelectronics legte 7,5 Prozent auf 23,89 Euro zu, ARM Holdings sprang knapp 5 Prozent auf 139,5 Euro und ASML kletterte 6 Prozent auf 14,93 Euro.
Nachrichten gab es bei Cap Gemini. Die größte europäische EDV-Beratung will weitere 5.500 Stellen streichen. So sollen die Gewinnmargen gesteigert und das Unternehmen den Marktbedingungen angepasst werden, so die Franzosen. Die Aktie machte 0,2 Prozent auf 42,84 Euro gut.
Die britische Unterhaltungs-Kette HMV Group hat ihren operativen Gewinn im abgelaufenen Geschäftsjahr um 36,9 Prozent auf 105,6 Millionen Pfund gesteigert. Für das laufende Geschäftsjahr gaben sich die Briten optimistisch, die geplanten Ziele zu erreichen. Die Aktie, die erst seit zwei Monaten an der Börse gehandelt wirt, legte 4,8 Prozent auf 152,2 Pence zu.
Der insolvente britische Schienennetzbetreiber Railtrack ist an ein staatliches geschütztes Bahnunternehmen verkauft worden. Die Übernahme, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in das britische Bahnsystem wieder herstellen soll, beendet das Privatisierungsexperiment des britischen Bahnsystems. Railtrack war aus dem Verkauf der staatlichen Eisenbahn im Jahr 1996 hervorgegangen und galt in Großbritannien als Volksaktie. Die Aktie fiel 17,7 Prozent auf 225,80 Pence.
Schlechte Nachrichten gab es von Avis Europe. Der Autovermieter wird die selbst gesetzten Ziele im laufenden Geschäftsjahr nicht erreichen. Als Grund nannte das Unternehmen die gekürzten Reise-Budgets in vielen Firmen. Die Aktie brach mehr als 30 Prozent auf 117,75 Pence ein.
Positiv entwickelte sich hingegen Terra Lycos. Morgan Stanley stufte die Aktie das Papier auf "übergewichten" von zuvor "untergewichten" herauf. Das Papier legte knapp 12 Prozent auf 5,35 Euro zu.
Fiat hat einen neuen Chef. Gabriele Galateri wurde zum Chef des italienischen Industriekonzerns ernannt. Die Fiat-Aktie reagierte mit Kursgewinnen von zeitweise mehr als sieben Prozent auf die Berufung des 55-Jährigen, der als enger Vertrauter der Gründerfamilie Agnelli gilt. Analysten zufolge könnte Galateri nun einen baldigen Verkauf der defizitären Fiat-Autosparte in die Wege zu leiten. Am Ende stand ein Plus von knapp 3 Prozent auf 12,15 Euro.
Quelle: ntv.de