Marktberichte

Besser spät als nie Europa holt auf

Mit einem Tag Verspätung haben die europäischen Märkte den Turnaround an der Wall Street vom Mittwoch nachvollzogen. Denn anders als der Dax, schlossen die meisten europäischen Indizes bereits um 17.30 Uhr - somit hatten die Börsianer nicht mehr die Chance auf die Kehrtwende in Amerika zu reagieren - das wurde am Donnerstag ausgiebig nachgeholt. Insbesondere die in jüngster Zeit arg gebeutelten Versicherungsaktien beflügelten die Indizes. Der Stoxx 50 legte 4,5 Prozent auf 2.543 Punkte zu, der Eurostoxx 50 machte 3,2 Prozent auf 2.515 Zähler gut.

Trotz dieser Pluszeichen lagen die Tageshochs schon deutlich höher - der Grund für das abbrökeln der Gewinne kam, wie sollte es anders sein, mal wieder aus den USA: Die US-Auftragseingänge für langlebige Güter sind im Juni überraschend stark um 3,8 Prozent gefallen. Analysten hatten dagegen mit einem Anstieg um 0,7 Prozent gerechnet.

In der Bewertung der Börsianer spielen die Auftragseingänge die entscheidende Rolle. Sie werteten den drastischen Rückgang als Indiz dafür, dass die Investitionsbereitschaft der Unternehmen unverändert niedrig ist. "Nicht gerade ein Zeichen für eine wirtschaftliche Erholung", so der knappe Kommentar eines Händlers.

Wenig erfreuliche Konjunkturdaten kamen auch aus Deutschland. Die Bundesbank hat die Daten zur Produktion im Produzierenden Gewerbe für den Monat Mai von 109,2 auf 108,6 Punkte nach unten revidiert. Dies entspricht einem Rückgang um 1,8 Prozent statt 1,3 Prozent.

Die meisten Anleger verhielten sich daher doch eher zögerlich. Denn die große Frage ist nach Einschätzung eines Händlers anch wie vor, ob sich die Erholung fortsetzt oder ob es sich bei dem Kursaufschwung um eine "Bullenfalle" in einem Bärenmarkt gehandelt hat.

Die aktuellen Unternehmensnachrichten wurden von den Anleger übrwiegend positiv quittiert: Der zweitgrößte europäische Pharmakonzern AstraZeneca meldete für das zweite Quartal ein starkes Gewinnplus beim Vorsteuergewinn von acht Prozent auf 1,1 Mrd. US-Dollar. Der Gewinn je Aktie konnte sogar um 13 Prozent auf 45 US-Cents je Aktie gesteigert werden, während sich die Vorhersagen von Analysten in einer Spanne zwischen 37 und 52 US-Cents bewegten.

Die guten Zahlen von AstraZeneca wurden allerdings überschattet von anhaltenden Sorgen über die Markteinführung des Cholesterin-Medikaments Crestor. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat kürzlich zusätzliche Informationen über den Gebrauch des Medikaments bei höherer Dosierung angefordert. Die Probleme mit Crestor bei der AstraZeneca-Aktie seit April dieses Jahres zu einem Kursverfall von 40 Prozent geführt. Das Papier schloss 4,3 Prozent fester auf 2091 britishe Pence.

Gute Nachrichten gab es am Morgen auch von EADS. Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern hat in den ersten sechs Monaten 775 Millionen Euro verdient und damit etwas mehr als ein Jahr zuvor. Zugleich hat EADS seine Gewinnprognose für dieses Jahr trotz Auftragsflaute im zivilen Luftfahrtgeschäft angehoben. Das Unternehmen erwartet mit einem Gewinn von gut 1,4 Milliarden Euro rund 20 Prozent mehr als bisher (1,2 Mrd. Euro). Die EADS-Aktie gewinnt 1 Prozent auf 14,25 Euro.

France Tlcom hat im ersten Halbjahr beim Umsatz um zehn Prozent auf knapp 22,5 Milliarden Euro zugelegt. Das geht nach Unternehmensangaben auf die gute Entwicklung im internationalen Geschäft sowie bei der Mobilfunktochter Orange zurück. Die Zahlen liegen damit im Rahmen der Erwartungen von Analysten. Für das Gesamtjahr peilt France Telekom beim operativen Gewinn nach dem Umsatzanstieg im ersten Halbjahr jetzt einen Anstieg von ebenfalls rund zehn Prozent an. Die Aktie stieg in Vorfreude um 6,2 Prozent auf 13,80 Euro.

British Telecom hat in seinem ersten Geschäftsquartal (per 30. Juni) minimale Umsatzzuwächse, aber deutliche Gewinnsteigerungen verzeichnet. Wie der führende britische Festnetzanbieter mitteilte, sei der Umsatz um zwei Prozent auf knapp 4,6 Mrd. Pfund angestiegen. Das Vorsteuerergebnis (ohne Sondereinflüsse) dagegen konnte um satte 61 Prozent zulegen auf 322 Mio. Pfund (511 Mio. Euro). British Telecom konnte zudem seinen Schuldenberg reduzieren um 304 Mio. Pfund auf 13,4 Mrd. Pfund. Die Aktie verlor dennoch knapp 6 Prozent auf 199,5 britische Pence.

Einen Kurssprung machte die Aktie von Telefonica. Das Papier legte 14,2 Prozent auf 9,50 Euro zu. DerEntscheid des Telekomkonzerns das UMTS-Geschäft einzufrieren, wurde am Markt gut aufgenommen, sagt Händler.

Der französische Telekomausrüster Alcatel hat seinen Nettoverlust im zweiten Quartal 2002 halbiert von 3,1 auf 1,4 Mrd. Euro. Trotzdem verfehlte das Unternehmen damit die Erwartungen des Marktes, die sich zwischen 210 und 800 Mio. Euro bewegt hatten. Für das zweite Halbjahr 2002 rechnet Alcatel noch nicht mit einer Markterholung. Die Aktie verlor knapp 4 Prozent auf 5,41 Euro.

Der Reingewinn der niederländischen Fluglinie KLM ist im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2002/2003 (per 31. März) von 19 Mio. Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahres auf elf Mio. Euro gesunken. Der operative Gewinn der viertgrößten europäischen Fluggesellschaft ist nach eigenen Angaben dagegen kräftig gestiegen von 23 auf 41 Mio. Euro.

KLM zeigte sich dennoch zurückhaltend, was die weitere Entwicklung der Geschäfte anbelangt. Die anhaltende Unsicherheit über die Konjunkturentwicklung und die Entwicklung der Treibstoffpreise mache die Vorhersage schwierig, ob im Gesamtjahr ein positives Nettoergebnis erreichbar sei. Die KLM-Aktie gewann 6,6 Prozent auf 10,74 Euro.

Die Highflyer des Tages waren aber ganz klar die Versicherungswerte. In jüngster Zeit mußten diese Aktien im Zuge sinkender Aktienmärkte herbe Verluste einstecken - heute nun kam die Gegenbewegung: So verbesserte sich die ING Group um 15 Prozent auf 19,66 Euro, Aegon machte ebenfalls 15 Prozent auf 12,71 Euro gut, die Societe Generale gewann 12,3 Prozent auf 50,60 Euro und Axa legte 11 Prozent auf 11 Euro zu.

Quelle: ntv.de

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