Inside Wall Street Merckle bewegt die USA
06.01.2009, 20:42 UhrDas Interesse der Amerikaner an allem, was außerhalb ihres Landes stattfindet, ist begrenzt. Das ist im politischen Umfeld so, in Kultur und Sport, und natürlich auch im Finanzwesen. Nachrichten aus Europa spielen keine große Rolle. Ausnahme am Dienstag: Der Tod des schwäbischen Unternehmers Adolf Merckle bewegt Wall Street und die Blogger.
Nicht dass allzu viele Amerikaner mit dem Namen etwas anfangen könnten. Selbst Merckles Firmen - Ratiopharm und Heidelberg Cement - sind nur Insidern ein Begriff. Doch gibt es einige Details an der Geschichte um den 74-Jährigen, die auf Interesse stoßen. Merckle, der fünfstreichste Deutsche, wurde vom Forbes-Magazin als Nummer 44 der reichsten Menschen der Welt geführt. Das zählt.
Merckle hat sich verspekuliert. Auch das kennt man an der Wall Street, wo man in diesen Tagen kaum jemanden findet, der in der Krise der letzten Monate nicht viel, viel Geld verloren hat. Oft aus Gier. Oft in Wetten, die im besten Fall Millionen und Milliarden eingespielt hätten im schlechtesten Fall aber Existenzen vernichten konnten. Eine solche Wette ist Merckle mit VW-Aktien eingegangen; an der Wall Street hat man zuletzt auf Subprime-Kredite gesetzt oder andere riskante Vehikel, die sich allzu oft in Luft aufgelöst haben.
Erschütternd auch: Merckles Selbstmord ist der zweite in wenigen Wochen, der an der Börse für Schlagzeilen sorgt. Kurz vor Weihnachten hat sich ein französischer Milliardär die Pulsadern aufgeschlitzt, nachdem er sein gesamtes Vermögen und das Geld seiner Familie und Freunde an den Milliarden-Betrüger Bernie Madoff verloren hatte. Schlimmer als der finanzielle Verlust muss - für den Madoff-Investor und für Merckle - die Angst gewesen sein, gegen Ende eines erfüllten Lebens das Gesicht zu verlieren.
In den Finanzblogs gibt es einige zynische Kommentare zum Tod des Milliardärs; sie sind nicht zitierenswert. Zumal die nachdenklichen Kommentare überwiegen, in denen es um von Gier geleitete Investments, Shorts und andere riskante Wetten geht. Und um die Befürchtung, dass 2009 noch viel mehr Selbstmorde sehen könnte. Man denke nur an die Weltwirtschaftskrise zurück, als viele Banker aus ihren Hochhaus-Büros in den Tod sprangen. New Yorker Bürofenster lassen sich heute meist nur einen Spalt weit öffnen; die Verzweiflung bremst das manchmal nicht.
Quelle: ntv.de