Inside Wall Street Obama und der Energie-Sektor
23.12.2008, 18:56 UhrIm Moment urlaubt und golft er auf Hawaii, doch in knapp vier Wochen wird Barack Obama – frisch erholt! – ins Weiße Haus einziehen. Amerika feiert den Wechsel enthusiastisch, wenn auch nicht einstimmig. Manch einer sorgt sich um die Zukunft. Vor allem im Energie-Sektor dürften es einige Bush-Günstlinge plötzlich sehr schwer haben.
Denn im Umwelt- und Energiesektor strebt die Obama-Regierung einige der gröbsten Richtungswechsel an. Der künftige Präsident hat das nicht nur im Wahlkampf in den Vordergrund gestellt, sondern durch die Nominierung seines Energie-Teams bereits unterstrichen: Angeführt wird das von Dr. Steven Chu, einem Physiker, der einst an der renommierten Universität von Berkeley lehrte, und der das Energie-Ministerium leiten wird.
Ihm zur Seite stehen Lisa Jackson als Chefin der Umwelt-Behörde EPA und Nancy Sutley als Chefin der Schwesterbehörde CEQ; beide Damen haben bisher im regulatorischen Betrieb gearbeitet und sind es gewöhnt, Unternehmen auf die Finger zu schauen. Vierte im Bunde ist Carol Browner, die eine neu geschaffene Stelle für die Koordination von Energie- und Umweltfragen bekleiden wird, und die in republikanischen Kreisen für ihren „langjährigen Einsatz im Umweltschutz“ angegriffen worden ist.
Die vier Berufenen haben bereits einiges gemeinsam: Keiner von ihnen kommt aus der Industrie, und alle wollen die Treibhausgase deutlich senken. Letzteres ist eine gigantische Herausforderung, vor der sich die USA immer gedrückt haben; schließlich kommen hier 85 Prozent der Energie aus fossilen Quellen. Entsprechend stehen in den nächsten Jahren große Veränderungen an.
Zum Beispiel für die Kohle-Industrie. Die steht zur Zeit hinter der Hälfte des amerikanischen Stroms. Kohle kommt in den USA zuhauf vor, ist billig – aber schmutzig. Neue Technologien Kohle „sauber“ zu machen, sind teuer, umstritten und in großem Maße ungetestet. Der künftige Minister Chu hat Kohle bereits als seinen „schlimmsten Alptraum“ bezeichnet, und damit ist zunächst vor allen eines klar: Entgegen der Forderungen der Industrie wird es unter Obama zumindest keine neuen Kohle-Kraftwerke geben.
Den bestehenden wird man allerdings nicht allzu aggressiv zu Leibe rücken können. Denn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten braucht das Land zum einen billigen Strom, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln; zum anderen will man nach den Banken und den Autos nicht einen weiteren Sektor in Gefahr bringen. Immerhin hängen an amerikanischer Kohle etwa 500.000 Arbeitsplätze.
Unklar ist das Schicksal der Kernenergie unter Obama. Der künftige Minister Chu ist ein Experte auf dem Gebiet und hat im Lawrence Berkeley National Lab Nuklearforschung betrieben. Die Industrie klammert sich an die Hoffnung, dass Obama sich neuen Kernkraftwerken nicht in den Weg stellen wird. Fördern dürfte er sie allerdings nicht. Das war John McCains Versprechen im Wahlkampf. Der republikanische Kandidat wollte 50 neue Kraftwerke bauen – auf Fragen nach Kosten und Entsorgung radioaktiven Mülls ging er jedoch nicht ein.
Große Sorgen um die Zukunft macht sich die Öl-Industrie. Während die republikanischen Kandidaten McCain und Sarah Palin mit dem Motto „Drill, Baby, Drill“ zu mehr Bohrungen aufgerufen hatte, machte Obama mit einer Sondersteuer auf Öl-Gewinne Schlagzeilen. Wenn immer der Ölpreis über 80 Dollar klettere, wolle er die Konzerne extra zur Kasse bitten. Dank der jüngst gefallenen Preise ist das Thema zur Zeit zwar vom Tisch, auf schwerere Zeiten stellt man sich allerdings ein.
Bessere Zeiten stehen hingegen der Erdgas-Industrie und den Herstellern von erneuerbarer Energie bevor. Beide Sektoren dürften künftig stärker denn je gefördert werden. Erdgas verbrennt sauberer als alle anderen Optionen und ist effizient. An letzterem müssen die erneuerbaren Energien noch arbeiten; Solar- und Wind-Farmen dürften aber künftig massiv gefördert werden und mit ihnen die Hersteller von Energie-Technologie, darunter Konzerne wie General Electric und Honeywell.
Was sich unter Obama allerdings auch ändern soll, ist nicht nur die Wahl der Energiequellen, sondern auch der Energiehaushalt der Amerikaner. Die sollen mehr zum Stromsparen angehalten und an effizientes Haushalten gewöhnt werden. Erste Initiativen werden bereits in den nächsten Monaten erwartet.
Quelle: ntv.de