Krisengipfel ohne Folgen Ölpreis zieht deutlich an
23.06.2008, 15:00 UhrAm Ölmarkt hat sich die Aufmerksamkeit der Anleger zum Wochenauftakt auf die Spannungen zwischen Israel und dem Iran verlagert. Der Öl-Gipfel am Sonntag im saudi-arabischen Dschidda gab Analysten zufolge keinen Anlass zur Entspannung der Lage. "Viel Lärm um nichts" fasste LBBW-Analyst Frank Schallenberger am Montag zusammen.
Nach einem kurzen Rückfall zog der Preis wieder an. Für ein Fass der US-Sorte WTI zahlten Händler am Nachmittag 136,65 Dollar, 1,29 Dollar mehr als am Freitagabend. Die Nordseesorte Brent wurde mit 136,17 Dollar 1,31 Dollar teurer gehandelt.
Saudi-Arabien hatte auf dem Treffen nochmals bekräftigt, die Fördermenge im Juli zu erhöhen. Andere Opec-Mitglieder hielten sich mit solchen Aussagen aber zurück und verwiesen stattdessen auf das nächste Treffen am 9. September. "Nach dem Versprechen Saudi-Arabiens hat der Markt die Gelegenheit genutzt und Gewinne mitgenommen. Aber die Zusage allein reicht nicht, um den Markt zu beruhigen", sagte Rohstoff-Analyst Mark Pervan von der Australia and New Zealand Bank. "Die Anspannungen zwischen dem Iran und Israel stehen nun wieder im Mittelpunkt."
Die "New York Times" hatte geschrieben, Israel habe Anfang Juni eine Militärübung abgehalten, mit der Angriffe auf iranische Atomanlagen geprobt worden seien. Nach Einschätzung israelischer Zeitungskommentatoren wurden die Informationen über das Manöver von den USA absichtlich lanciert, um Druck auf den Iran auszuüben. Die islamische Republik ließ verlauten, dass Israel nicht in der Lage sei, sie zu bedrohen, und kündigte eine "verheerende" Antwort auf jeden möglichen Angriff an.
Die EU verhängte unterdessen im Atomkonflikt mit dem Iran weitere Sanktionen gegen die Regierung. Die internationale Gemeinschaft verdächtigt den Iran, mit dem Atomprogramm den Bau von Nuklearwaffen zu verfolgen. Die Regierung in Teheran weist das zurück.
300 Dollar pro Fass?
Der Ölpreis könnte nach Einschätzung des französischen Ölinstituts IFP bis zum Jahr 2015 auf 300 US-Dollar pro Fass steigen. "Das ist nicht ausgeschlossen", sagte IFP-Chef Olivier Appert. "Niemand sollte darauf wetten, dass die Preise fallen." Der Preisanstieg werde sich fortsetzen. Die Lage auf den Ölmärkten sei "grundsätzlich angespannt, mit einem Angebot, das Schwierigkeiten hat, der Nachfrage zu folgen." Preise von 200 US-Dollar pro Fass seien deshalb aus seiner Sicht möglich, aber selbst 300 US-Dollar nicht auszuschließen. "Folglich ist es wünschenswert, sich darauf vorzubereiten", sagte Appert: "Aber vor allem müssen wir alles daran setzen, dass dieses Szenario nicht eintritt."
Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) sieht die nach dem Öl-Gipfel erneut gestiegenen Rohölpreise auch weiterhin maßgeblich getrieben von Spekulanten. Es zeige sich, dass der Preis keine Frage des Angebots ist, sagte eine MWV-Sprecherin in Hamburg. Mehrere arabische Golfstaaten hatten am Wochenende in Saudi- Arabien signalisiert, noch mehr Öl fördern zu wollen als bisher. An den Finanzmärkten werde diesen Absichtserklärungen offensichtlich wenig Glauben geschenkt, ergänzte die Sprecherin. Spekuliert wird, dass es aufgrund weltweit steigender Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu einer Verknappung des Angebots kommt.
Goldpreis erholt
Der Gold-Preis hielt sich über der Marke von 900 Dollar je Feinunze. Analysten verwiesen zur Begründung auf die schlechte Wertentwicklung der Aktienmärkte. "Spiegelbildlich zum schlechten Abschneiden der Dividendentitel erholte sich der Goldpreis von seinen jüngsten Tiefständen Anfang Juni", sagte LBBW-Analyst Thorsten Proettel. Der deutlichste Preisanstieg war in den vergangenen Tagen bei Palladium zu beobachten, das unter den Edelmetallen oft ein Schattendasein führt. Der Preis pro Feinunze stieg innerhalb von zwei Wochen um mehr als zehn Prozent. Zuletzt zahlten Händler 471,50 Dollar.
Kupfer verbilligte sich um 80 auf 8370 Dollar je Tonne. "Die chinesischen Netto-Importe von Kupfer sind im Mai laut der Zollbehörde Chinas um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gefallen, während die Exporte gleichzeitig um acht Prozent zugenommen haben", merkte Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg an. Er erwarte eine baldige Preiskorrektur auf unter 8000 Dollar.
Der Kakao-Preis zog wieder an, Händler zahlten in London für den September-Kontrakt bis zu 1710 Pfund Sterling pro Tonne, fast ein Prozent mehr als zum Wochenschluss. Wegen der Sorge um eine schlechte Ernte im wichtigsten Kakao-Exportland Elfenbeinküste ist die Bohne inzwischen so teuer wie seit gut 20 Jahren nicht mehr.
Quelle: ntv.de