Inside Wall Street Schluss mit lustig
12.11.2007, 21:11 UhrSeit einer Woche streiken die amerikanischen Fernsehautoren. Heerschaaren von Schreibern, die hinter den Seifenopern-Romanzen, falschen Fährten im Krimi und Late-Night-Pointen stecken, wollen im Zeitalter von DVD und Internet höhere Tantiemen erstreiten - und beißen sich an ihren Arbeitgebern die Zähne aus.
In den Chefetagen der großen Fernsehhäuser gibt man sich souverän. Ein Streik bei den Autoren gefährde das Programm nicht, meinte noch eine halbe Woche vor Beginn des Arbeitskampfes Les Moonves, der Chef von CBS. Damit macht er gute Miene zum bösen Spiel, von dem sein Konzern allerdings mit am stärksten betroffen ist: Zwei Sitcoms haben die Produktion bereits eingestellt, weil man keine Drehbücher vorrätig hatte, und die "Late Show" mit Talk-Legende David Letterman strahlt nur noch Wiederholungen aus.
Das ist an sich ein Trauerspiel. Zwar ist wohl jedem Zuschauer klar, dass Letterman und seine Kollegen nicht jeden Spruch einer abendlichen Show selbst schreiben können. Dass Entertainer, die seit Jahrzehnten bejubelt und hoch bezahlt werden, aber nicht einmal ein oder zwei Monologe im Alleingang präsentieren können, ist bitter.
Das gilt auch für Jon Stewart und Stephen Colbert, die zwei größten Polit-Satiriker der USA. Die Shows der beiden laufen direkt hintereinander auf Comedy Central, wie CBS eine Viacom-Tochter, und seit dem ersten Streik-Tag wird der Sendeplatz mit Wiederholungen gefüllt. Genauso tun das die TV-Chefs bei Walt Disney, GE und Time Warner, denen spätabends ebenfalls die Gags fehlen.
Bei Fox sitzt man etwas fester im Sattel. Der Murdoch-Sender setzt weitgehend auf Reality-Formate und hofft auf neue Zuschauer, die möglicherweise von den vielen Wiederholungen der Konkurrenz bald genug haben und bei "American Idol" und "Dancing with the Stars" landen. Man könnte da ein wenig zu optimistisch sein, warnen wohlgemerkt einige Medien-Analysten, denn der Reality-Bedarf der Amerikaner ist weitgehend gedeckt.
So haben nun alle großen amerikanischen Sender die selbe Sorge: Wie teuer wird der Streik, wenn sich angesichts zahlreicher Wiederholungen und sinkender Einschaltquoten die Werbekunden zurückziehen. Damit wird bereits in den nächsten Tagen gerechnet. Bei den Late-Night-Show sind die Zuschauerzahlen bereits um 19 bis 20 Prozent zurückgegangen, und Corporate America wird bei der Buchung neuer Werbespots einen entsprechenden Rabatt fordern.
Das eingesparte Geld wird man aller Wahrscheinlichkeit nach in Werbung in anderen Sektoren investieren, vor allem online. Das ist die ironische Wendung des Streiks: Die Autoren wollen nämlich vor allem wegen der Zweitverwertung von Inhalten im Internet besser bezahlt werden. Die Sender wollen darauf nicht eingehen, weil die Stabilität der Umsätze im Netz noch nicht getestet sei - das ist natürlich Quatsch, umso mehr als der Streik fortan noch mehr Zuschauer an den Computer treiben wird.
Die wahren Gewinner indes sind wohl diejenigen, die sowohl Fernseher als auch Computer ausschalten und stattdessen einen letzten Herbstspaziergang machen oder ein gutes Buch lesen. Denn: "57 channels and nothing on", beschwerte sich Bruce Springsteen schon Anfang der Neunziger. Heute empfängt der durchschnittliche US-Kabelkunde mehr als 300 Sender. Auf denen immer noch nichts kommt.
Quelle: ntv.de