Rohstoffe als Angst-Pegel US-Öl hält sich über 100
04.07.2013, 17:35 Uhr
Über 100 Dollar: WTI und Brent zittern unter den Einschätzungen der Investoren.
(Foto: AP)
Die Lage am Nil scheint sich zu beruhigen, in Frankfurt deutet die EZB ein neues Zinsniveau an: An den Rohstoffmärkten ziehen sich Investoren aus ihren vorsorglichen Defensivpositionen zurück. Das Kilogramm Gold kostet in London 30.360 Dollar - 50 Dollar weniger als am Vortag.
Die politischen Umbrüche in Ägypten und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank halten Rohstoffstrategen im Donnerstagshandel in Atem: Am Tag nach der Entmachtung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi scheint sich die Lage am Ölmarkt wieder etwas zu entspannen. Der Preis für US-Rohöl West Texas Intermediate (WTI) notiert am Nachmittag um 3 Cent fester bei 101,11 Dollar und bleibt damit in der Nähe des zur Wochenmitte erreichten 14-Monats-Hochs. Rohöl der Nordseesorte Brent gibt dagegen um 20 Cent nach auf 105,40 Dollar.
Die Unruhen in Ägypten hatten Spekulationen auf einen Angebotsengpass im Nahen Osten ausgelöst und die Preise in die Höhe getrieben. Ägypten ist zwar kein Ölexporteur, kontrolliert aber den für den internationalen Seehandel wichtigen Suezkanal, die vielbefahrene Wasserstraße zwischen Mittelmeer und Rotem Meer.
"Es gibt keine Anzeichen auf eine Unterbrechung des Nachschubs", sagte Fondsmanager Tetsu Emori von Astmax Investments, der die Entwicklungen am Mittelmeer von Tokio aus überwacht. Die Armee versucht derzeit, den Widerstand der Partei der Muslimbruderschaft gegen ihre Entmachtung im Keim zu ersticken. Damit zeichnet sich eine Stabilisierung der Verhältnisse ab. Die Militärs gelten als vergleichsweise gemäßigte Kraft, die am wirtschaftlichen Wohlergehen des Landes interessiert ist - und daher wohl auch den reibungslosen Verkehrsfluss durch den Suezkanal aufrecht erhalten wird. Offen ist allerdings noch, wie die Muslimbruderschaft auf die Entmachtung Mursis reagieren wird. Sollte es zu gewaltsamen Antworten auf die Eingriffe des Militärs kommen, droht dem Land womöglich ein gewaltsam geführter Bürgerkrieg.
Ermutigende Signale erreichten die Märkte dagegen aus Frankfurt: Dort zwingt die drohende Rückkehr der Schuldenkrise die Europäische Zentralbank (EZB) zu bislang nicht gekannter Offenheit. Die Währungshüter deuteten eine weitere Zinssenkung an. "Der EZB-Rat geht davon aus, dass der Schlüsselzins in der Eurozone noch für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen oder auch einem niedrigeren Niveau bleibt", sagte EZB-Präsident Mario Draghi und schickte damit unter anderem den Euro auf Talfahrt. Mit anderen Worten: Die EZB legt sich für die nächste Zeit auf einen ultralaxen geldpolitischen Kurs fest, schließt niedrigere Zinsen nicht aus und betritt mit ihrer ungewohnten Klarheit Neuland wie vor ihr nur das US-Pendant Federal Reserve (Fed).
Die Notenbank werde ihren konjunkturstützenden Kurs so lange wie nötig fortsetzen, so Draghi. Zuvor hatte die EZB-Spitze bei ihrer Sitzung in Frankfurt beschlossen, den Leitzins auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent zu lassen. Der Italiener betonte, das sei "nicht die Untergrenze". Der EZB-Rat habe "intensiv" über eine sofortige Zinssenkung diskutiert und sei "offen für verschiedene Zinsvarianten". Der Ausstieg aus der seit Jahren extrem lockeren Geldpolitik sei in der Eurozone im Gegensatz zu den USA, wo sich die Fed langsam auf ein Ende ihrer milliardenschweren Bond-Käufe und auf mittlere Sicht auch eine Zinswende vorbereitet, noch "weit entfernt".
Am Edelmetallmarkt war die vorsichtige Entspannung ebenfalls gut zu erkennen: Dort hatte sich der Preis für Gold angesichts der politischen Spannungen in Portugal und Ägypten zuvor scharf verteuert: Am Morgen brach der Preis des Edelmetalls - das gemeinhin als "Krisenwährung" gehandelt wird und in der Regel mit dem Risiko von kriegerischen oder politischen Turbulenzen anzieht - deutlich ein. Am späten Nachmittag kostete die Feinunze Gold 1248,40 Dollar. Die Feinunze Gold wurde am Donnerstag in London mit 1251,75 (1250,00) Dollar gefixt. Ein Kilogramm Gold kostete 30.360,00 (30.410,00) Euro.
Hinweis: In den USA bleiben die Märkte am "Independence Day" (4. Juli) geschlossen.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts