Verunsicherung kehrte zurück Wall Street im Minus
28.02.2002, 22:30 UhrAlan Greenspan hatte es am Mittwoch angekündigt, die neuesten Konjunkturdaten scheinen es am Donnerstag zu bestätigen: die US-Wirtschaft kommt langsam wieder in Tritt. Die Aktienmärkte spendeten dennoch nur verhaltenen Applaus: Der Dow Jones verlor 0,2 Prozent auf 10.106 Punkte, die Nasdaq drehte nach starkem Start mit 1,2 Prozent bei 1.731 Zählern ins Minus.
Das US-Bruttoinlandsprodukt ist nach einer zweiten Schätzung des US-Handelsministeriums im vierten Quartal um 1,4 Prozent gewachsen. In der ersten Schätzung war nur ein Zuwachs von 0,2 Prozent berechnet worden. Die Zahlen fielen damit wesentlich besser aus, als von Volkswirten erwartet, die durchschnittlich einen Anstieg des BIP im letzten Quartal des abgelaufenen Jahres von 0,8 Prozent prognostiziert hatten. Die Konsumausgaben stiegen den neuesten Berechnungen nach um 6 Prozent, nachdem in der ersten Schätzung nur ein Plus von 5,4 Prozent ermittelt worden war.
Die Daten würden zeigen, dass die US-Wirtschaft aus der Rezession raus sei, so Larry Wachtel von Prudential Securities. Das Wachstum im ersten Quartal würde nun wohl zwischen 2 und 3 Prozent liegen. Das hätte den Markt eigentlich in Partylaune versetzen müssen. Die Sorgen um die Bilanzen der Konzerne seien aber noch zu groß, so Paul Cherney von S&P Marketscope. Es sei für die Anleger einfach schwer festzustellen, wann die Unternehmen vernünftig bewertet seien, wenn es soviel Unsicherheit um die Bilanzen gebe.
Daran konnte auch die zweite gute Nachricht von der Konjunkturseite am Donnerstag nichts ändern. Der Einkaufsmanager-Index für den Großraum Chicago ist im Februar auf 53,1 Punkte gestiegen, im Januar hatte der Index noch bei 45,1 Punkten gelegen. Analysten hatten für das vielbeachtete Konjunkturbarometer nur einen Anstieg auf 47,7 Punkte prognostiziert.
Für leichte Verunsicherung sorgte gegen 21:00 Uhr zudem die Meldung, dass ein indisches Passagierflugzeug wegen einer verdächtigen Person an Bord von kanadischen Abfangjägern eskortiert wurde.
Schlechte Nachrichten gab es vom Computerhersteller Gateway, der sein Ziel, noch in diesem Jahr die Gewinnschwelle zu erreichen, auf das nächste Jahr verschoben hat. Zudem kündigte das Unternehmen an, der Verlust werde im laufenden Quartal höher ausfallen als bislang erwartet. Die Aktie verlor 9,8 Prozent auf 4,60 Dollar.
Auch der Netzwerkausrüster Riverstone enttäuschte die Anleger. Die Aktie brach um fast 50 Prozent auf 3,82 Dollar ein, nachdem das Unternehmen ankündigte, man werde die Gewinnprognose für das vierte Quartal verfehlen. Riverstone geht nun von einem ausgeglichenen oder leicht negativen Ergebnis aus, Analysten hatten zuletzt einen Gewinn von 4 Cent je Aktie für das Unternehmen prognostiziert. Das Unternehmen kündigte zudem Stellenstreichungen zur Kostenreduzierung an.
Unterschiedliche Analysten-Aussagen gab es für die Aktie von Hewlett-Packard. UBS Warburg hob in einer Analyse positiv hervor, dass der Computerhersteller im zweiten Halbjahr mit einer Erholung des Geschäfts rechnet - und das trotz der weiterhin zurüchhaltenden Investitionen in Internet-Technologie durch viele Unternehmen. Merrill Lynch legte den Schwerpunkt seiner Analyse allerdings auf die Fusion mit Compaq, die nach Ansicht der Analysten nur eine Chance von 50 : 50 hat. Die Aktie legte 0,5 Prozent auf 20,12 Dollar zu.
Einen negativen Analysten-Kommentar gab es auch für den Computerhersteller Apple. Credit Suisse First Boston geht davon aus, dass Apple von seinem neuem iMac bis zu 100.000 Stück weniger verkaufen wird als geplant. Die Papiere gaben 1,2 Prozent auf 21,70 Dollar ab.
Besser schneidet der Online-Auktionator eBay bei der Analystenschar ab, zumindest bei Morgan Stanley. Die Investmentbanker haben den Wert von "outperform" auf "strong buy" hochgestuft. Nach dem 27-prozentigen Kursverfall seit Jahresanfang biete sich ein attraktives Einstiegsniveau, denn an den positiven fundamentalen Aussichten habe sich nichts geändert. Der Kurs schnellte um 6,0 Prozent auf 52,05 Dollar nach oben.
Schlecht liefen die Geschäfte für den Luxus-Juwellier Tiffany im vierten Quartal. Der Gewinn ist um zwei Prozent zurück gegangen und hat damit die Analystenerwartungen verfehlt. Verhalten fällt auch der Ausblick für 2002 aus: Tiffany erwartet nur einen minimalen Umsatzanstieg für das erste Halbjahr. Die Aktie gab 6,3 Prozent auf 32,81 Dollar ab.
Unzufrieden zeigt sich auch der Bekleidungskonzern The Limited mit seinem Geschäft. Im laufenden Quartal erwartet das Unternehmen einen Umsatzrückgang im unteren einstelligen Bereich. Zuvor hatte die Gruppe, zu der unter anderem die Marke Victoria's Secret gehört, für das abgelaufene Quartal einen Gewinnanstieg um 35 Prozent gemeldet. Doch die Börsianer schauen lieber in die Zukunft und strafen die Aktie mit einem Verlust von 1,5 Prozent auf 18,01 Dollar.
Der zweitgrößte amerikanischen Satellitenbetreiber EchoStar hat im vierten Quartal mit 42,9 Millionen Dollar oder 9 Cent je Aktie einen geringeren Verlust ausgewiesen hat, als von Analysten erwartet worden war. Die Aktie verbesserte sich 10,7 Prozent auf 26,12 Dollar.
Im Brennpunkt standen auch wieder die Aktien des Biopharmakonzerns ImClone. Das Unternehmen hatte am Mittwoch signalisiert, dass es Chancen auf eine erneute Zulassungsprüfung der US-Gesundheitsbörde für sein Krebsmittels Erbitux gebe. Nach einem neuerlichen Gespräch mit der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA Anfang der Woche kann ImClone unter anderem auf die Daten seines deutschen Partners, der Darmstädter Merck zurückgreifen, um die Leistungsfähigkeit und Verträglichkeit des Medikaments nachzuweisen. Die FDA hatte Ende vergangenen Jahres die Zulassung von Erbitux verweigert. Die Aktie legte nochmals 9,2 Prozent auf 22,41 Dollar zu.
Der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb und die französische Sanofi-Synthelabo haben von der US-Gesundheitsbehörde FDA die erweiterte Zulassung für das Medikament Plavix erhalten. Das Medikament gilt als potenzieller Blockbuster. So werden Medikamente mit einem Umsatzpotenzial von mindesten einer Milliarde Dollar bezeichnet. Die Bristol-Myers-Aktie verlor dennoch 1,0 Prozent auf 47,00 Dollar.
Nachbörslich gab es weitere Zahlen, so zum Beispiel vom Biotechunternehmen Protein Design. Der Konzern ist im vierten Quartal mit sechs Cent je Aktie in die Verlustzone gerutscht, nachdem im Vorjahr noch ein ausgeglichenes Ergebnis angefallen war. Das lag im Rahmen der Erwartungen. Unerwartet kommt dagegen eine Gewinnwarnung für das laufende Jahr. An Stelle eines erwarteten Gewinns rechnet Protein Design mit einem satten Verlust. Grund seien steigende Kosten für klinische Versuche und der Ausfall von Zinseinnahmen. Bis zum Handelsschluss verlor das Papier moderate 1,9 Prozent auf 15,87 Dollar, nachbörslich stürzte der Kurs dann jedoch rund 20 Prozent ab.
Auch der Spezialist für Netzwerksoftware Novell legte nach Handelsschluss Zahlen vor. Überraschend war im abgelaufenen Quartal ein Gewinn von 2 Cent je Aktie angefallen. Analysten hatten dagegen mit einem leichten Verlust gerechnet. Novell führte die guten Zahlen auf erfolgreiche Kostensenkungen und die Integration der übernommenen Cambridge Technology zurück. Die Aktie verlor zunächst 0,5 Prozent auf 4,09 Dollar und gab nachbörslich weiter ab.
Quelle: ntv.de