Marktberichte

"Die letzten Dämme brechen" Dax im freien Fall

Hier gibt es nur einen Weg: Das ist abwärts.

Hier gibt es nur einen Weg: Das ist abwärts.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach nur kurzer Verschnaufpause am deutschen Aktienmarkt setzt eine rasante Talfahrt ein. Selbst das März-Tief nach der Erdbebenkatastrophe in Japan wird binnen kurzer Zeit durchbrochen. Der Dax markiert damit ein neues Jahrestief . "Jetzt brechen die letzten Dämme", sagen Charttechniker. Es ist die längste Negativserie seit zweieinhalb Jahren.

Die Erleichterung über einen massiven Eingriff Japans auf dem Devisenmarkt war am Anfang des Tages groß gewesen. Aber schnell gewann der allgemeine Pessimismus wieder die Oberhand. Das Vertrauen der Anleger in das Krisenmanagement von Politik und Notenbanken schwindet zunehmend. Dafür kassiert der deutsche Markt jetzt die Quittung.

Vergeblicher Kampf gegen den Strom.

Vergeblicher Kampf gegen den Strom.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Zuletzt notierte der Dax 3,4 Prozent leichter bei 6414 Punkten. Das Tagestief lag bei 6391. Es war der siebte Handelstag mit Verlusten in Folge. Dies ist die längste Negativ-Serie seit zweieinhalb Jahren. Seit Beginn des Absturzes verlor der Leitindex Dax damit elf Prozent seines Werts. Der MDax stürzte 5,1 Prozent ins Minus auf 9225 Zähler. Der TecDax tauchte 4,9 Prozent ab auf 724 Punkte. In den USA sackten Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq ebenfalls deutlich ab.

Schlimmer geht immer

"Nach der freundlichen Eröffnung hat die Leute gleich wieder der Mut verlassen", kommentierte ein Marktteilnehmer. Der Dax sei angeschlagen, erklärte ein anderer Börsianer. Händler führten für den freien Fall charttechnische Gründe an. "Jetzt brechen die letzten Dämme", kommentierten sie den Kursrutsch unter das März-Tief nach der japanischen Erdbebenkatastrophe.  

Dax
Dax 23.596,98

Mancher sieht sogar noch Schlimmeres auf den Dax zukommen: "Wenn man auf die Kurse von 2008 sieht, ist noch Speck dran." Offensichtlich fielen im Moment auch etliche Stop-Loss-Marken von Anlegern, die sich mit automatischen Verkaufsorders für bestimmte Tiefstkurse gegen Verluste abgesichert hätten.

Eingriff Japans

Hilfreich für die positive Gegenbewegung am Morgen waren vor allem die freundlicheren Vorgaben aus dem Ausland gewesen. So hatten Interventionen der Bank of Japan gegen die Yen-Stärke die Tokioter Börse gestützt. Die Bank of Japan (BoJ) kündigte Yen-Verkäufe in großem Stil an, um den Kurs der heimischen Währung zu drücken. Die Exportwirtschaft des Landes leidet seit Monaten unter der Yen-Stärke gegenüber dem Dollar. An der Wall Street waren die Kurse nach Handelsschluss in Europa am Vorabend ins Plus gedreht.

Druck auf Südländer nimmt ab

Zunächst Für Beruhigung sorgte an den europäischen Aktienmärkten auch die Entspannung an den Rentenmärkten, wo die Renditen der zehnjährigen italienischen Staatsanleihen zeitweise wieder unter sechs Prozent rutschten. Dabei war die mit Spannung erwartete Rede von Regierungschef Silvio Berlusconi zum Sparpaket auf ein verhaltenes Echo gestoßen. Berlusconi hatte am Abend im Parlament erklärt, die Banken des Landes seien solide und die Wirtschaft vital. Doch währte die Kauflaune nicht lange.

Auch das Euro-Krisenland Spanien schaffte trotz der jüngsten Finanzmarkt-Verwerfungen eine vergleichsweise erfolgreiche Auktion bei seinen Staatsanleihen: Das Land begab Staatsanleihen mit einer Laufzeit von drei und vier Jahren im Wert von 3,31 Mrd. Euro. Angestrebt war ein Maximalziel von 3,5 Mrd. Euro. Dreijährigen Anleihen im Wert von 2,2 Mrd. Euro wurden mit einer Rendite von 4,813 Prozent begeben. Bei der letzten vergleichbaren Auktion am 7. Juli hatte die Rendite noch bei 4,291 Prozent gelegen.

EZB kauft Ramschpapiere

Am Nachmittag stellte dann die EZB den Kauf weiterer Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten in Aussicht: Er schließe Anleihekäufe noch heute nicht aus, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Das Programm sei nie unterbrochen worden. Details ließ Trichet offen. "Sie werden sehen, was wir tun werden." Die EZB hatte in der Krise um ausufernde Staatsschulden massenhaft Staatspapiere gekauft: griechische, irische und portugiesische. Zwar ruht das Aufkaufprogramm seit Anfang Februar dieses Jahres, doch die Notenbank sitzt inzwischen auf Staatsanleihen im Gesamtwert von 74 Mrd. Euro.

Für trübe Stimmung am Aktienmarkt sorgte die schwindende Hoffnung auf ein baldiges Ende der Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB). "Das ist Gift für den Markt", betonte ein Aktienhändler. "Denn das letzte, was sich die Euro-Zone in der aktuellen Wirtschaftslage leisten kann, sind Zinserhöhungen."

Auf wackeligen Füßen

Die Auslandsnachfrage der deutschen Industrie fiel erfreulicherweise deutlich besser aus als erwartet. Die Firmen erhielten 1,8 Prozent mehr Orders als im Monat davor. Analysten hatten ein Minus von 0,5 Prozent erwartet. Allerdings dürften die Daten wegen außergewöhnlich vieler Großaufträge nach Investitionsgütern aus dem Ausland verzerrt sein. Ein entscheidende Rolle spielten wahrscheinlich zahlreiche Bestellungen für den Flugzeugbauer Airbus etwa aus Asien.

Unterstützt wurde der Dax am Morgen von der guten Aufnahme von Unternehmensergebnissen. Am ende des Handelstages schlossen allerdings alle DAx-Unternehmen im Minus.

Trotz Anhebung der Gewinn- und Umsatzprognose landeten die Aktien von Adidas mit 0,6 Prozent im Minus. Die anfänglichen Kursgewinne gingen einem Händler auch auf das Konto, dass die Titel in den vergangenen Tagen auch etwas stärker als der Dax verloren hatten.

Die Quartalszahlen der Telekom sind nach Einschätzung aus dem Handel gemischt ausgefallen. Einer guten Entwicklung in Deutschland stehe ein schwaches Marktumfeld in Europa und den USA gegenüber, hieß es. Sollte der Verkauf des US-Geschäfts an AT&T nicht zustande kommen, stehe der Konzern vor einem Scherbenhaufen. Die Aktie drehte im späten Handel mit 1,1 Prozent ins Minus.

Beiersdorf taucht als letzter ab

Beiersdorf hatten zunächst mit Kursaufschlägen auf den Quartalsbericht reagiert, tauchten dann - als allerletzter Dax-Wert - am Ende doch noch in den roten Bereich ab. Mit lediglich minus 0,2 Prozent waren die Titel die absoluten Spitzenreiter der Dax-Verlierer. Der Gewinnrückgang war nicht so groß ausgefallen aus wie am Markt im Vorfeld befürchtet worden war. Mehrere Analysten verwiesen darauf, dass der Betriebsgewinn im zweiten Quartal mit einem Minus von lediglich acht Prozent auf 183 Mio. Euro weniger stark abgenommen hatte als befürchtet - im Markt war nur mit 155 Mio Euro gerechnet worden. Eine kleine positive Überraschung sei auch die etwas optimistischere Umsatzprognose des Vorstands, hieß es in einem Kommentar der DZ Bank.

Auch Münchener Rück tauchten knapp 2,3 Prozent ab, obwohl der Versicherer für das zweite Quartal einen unerwartet hohen Gewinn vorgelegt hatte.

Im MDax gingen selbst ProSiebenSat.1 nach zunächst erfreulichen Gewinnen 6,4 Prozent baden. Der Fernsehsender hatte ebenfalls Zahlen vorgelegt.

Quelle: ntv.de, ddi/rts/DJ

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