Die 7100er-Linie hält nicht Dax schließt verunsichert
27.03.2012, 18:00 Uhr
Die Lage am Nachmittag: Knapp 20 Minuten vor dem Handelsstart in den USA.
(Foto: REUTERS)
Nach einem über weite Strecken freundlichen Handelstag dreht am deutschen Aktienmarkt der Wind: Der Dax fällt mit schwachen Konjunkturdaten aus den USA zurück. Am Abend blicken Händler auf ein hauchdünnes Minus.
Die Aussichten auf neue Konjunkturhilfen durch die US-Notenbank haben dem deutschen Aktienmarkt nur für kurze Zeit frühlingshafte Kursgewinne beschert: Nach einem überwiegend freundlichen Verlauf ging der Dax prozentual nahezu unverändert aus dem Handel. Der deutsche Leitindex ging mit 7078,90 Punkten aus dem Handel. Das waren 0,33 Punkte oder minus 0,005 Prozent weniger als am Vortag. Am Morgen war der Dax zunächst weiter gestiegen und hatte sich kurzzeitig mit 7154 Punkten bis auf knapp 40 Punkte an sein Mitte März erreichtes Jahreshoch angenähert. Der MDax schloss mit plus 0,12 Prozent bei 10.821,15 Punkten. Der TecDax zeigte sich mit plus 0,08 Prozent auf 802,61 Punkte kaum verändert.
Teilweise enttäuschende Konjunkturdaten aus den USA am Nachmittag seien als "willkommene Gelegenheit" gesehen worden, Kasse zu machen, sagte Händler Markus Huber von ETX Capital. "Der Richmond Fed Index, der eine weitere Indikation für den nationalen Einkaufsmanagerindex (ISM) liefert, war wesentlich schwächer als erwartet ausgefallen", begründete Huber die bröckelnden Kurse. Dies sei der Auslöser der Gewinnmitnahmen gewesen, obwohl das wichtige US-Verbrauchervertrauen leicht die Erwartungen übertreffen konnte.
Der Index des Conference Board fiel im März auf 70,2 Punkte nach 71,6 im Vormonat. Allerdings gibt es auch beruhigende Stimmen: "Der Index der Lagebeurteilung steht nun auf dem höchsten Stand seit dreieinhalb Jahren", erklärte die Herausgeberin der Umfrage, Lynn Franco. "Dies legt nahe, dass die Verbraucher nicht davon ausgehen, dass die Wirtschaft an Fahrt verliert." Ein weiterer Börsianer sah zusätzliche Verunsicherung in steigenden Renditen für Spanien und der plötzlichen Erhöhung des Rettungsschirms.
Aussagen von US-Notenbankchefs Ben Bernanke vom Vortag hatten am Morgen Erwartungen einer erneuten Ausweitung der Wertpapierkäufe in den USA geweckt. Der oberste Währungshüter im Dollarraum beklagte die Lage am Arbeitsmarkt: "Wir können nicht sicher sein, dass das jüngste Tempo der Verbesserung am Arbeitsmarkt anhält", warnte Bernanke.
Favorit im Leitindex waren die Aktien der Lufthansa, die um 2,20 Prozent zulegten, obwohl der Warnstreik im öffentlichen Dienst auf zahlreiche deutsche Flughäfen ausgeweitet worden war. Eine positive Studie der US-Bank JPMorgan dürfte laut Börsianern folglich der Grund gewesen sein. Wegen des vermutlich auch 2012 guten First-Class- und Business-Class-Geschäfts hatte JPMorgan die Lufthansa-Aktie zum Kauf empfohlen. Mit dem Verkauf der Tochter British Midland (BMI) sei ein Belastungsfaktor aus der Bilanz genommen worden, schrieben die Analysten.
Die Anteilsscheine des Flughafenbetreibers Fraport drehten zum Handelsschluss mit 0,8 Prozent ins Minus, nachdem sie den Meldungen rund um den erneuten Arbeitskampf lange Zeit getrotzt hatten. Die Tui-Aktien führten die Gewinnerliste im MDax mit einem Plus von 6,4 Prozent an. Für das kräftige Plus der Papiere fanden Börsianer keine Erklärung. Ein Händler verwies darauf, dass Investoren wenige Tage vor dem Ende des ersten Quartals in einigen Titeln noch Positionen umschichteten.
Im MDax dagegen wurden Celesio und Hochtief abgestraft und büßten 6,66 Prozent respektive 5,26 Prozent ein. Der Pharmagroßhändler Celesio verfehlte mit seinem Nettoergebnis 2011 die Schätzungen der Analysten. Händler kritisierten zudem die unerwartet deutliche Dividendenkürzung von 50 auf 25 Cent je Aktie. Die Titel des Essener Bauunternehmens Hochtief litten darunter, dass die Aktien der australischen Tochter Leighton bis zum 29. März vom Handel ausgesetzt wurden.
Leighton informierte, dass dies notwendig geworden sei, da die Jahresprognosen überarbeitet werden müssten. Hochtief wollte dies nicht kommentieren. Am Markt wird nun mit einer Gewinnwarnung von Leighton gerechnet, die sich auch auf Hochtief negativ niederschlagen dürfte.
Mit zurückhaltenden Äußerungen zum Jahresverlauf löste Centrotherm Enttäuschung unter Anlegern aus: Die Papiere verbilligten sich im TecDax um 0,2 Prozent. Das Unternehmen rechnet damit, dass 2012 wieder ein sehr herausforderndes Jahr mit einigen Unsicherheiten wird. Eine Umsatz- und Ergebnisprognose wagte Centrotherm nicht. Angesichts solcher Äußerungen gebe es für die Anleger keinen Grund, die Aktie zu kaufen, sagte ein Händler. "Das ist alles nicht sehr ermutigend."
Die Aktien von Solarworld standen unterdessen weiter unter Druck: Nach einem kritischen Analystenkommentar fielen die Anteilsscheine des Solarkonzerns scharf zurück und waren zeitweise sogar schwächster Wert im TecDax. Seit vergangenem Donnerstag, als das Unternehmen einen für das vergangene Jahr bekanntgeben musste, büßten die Aktien gut 8 Prozent an Wert ein. Angesichts der Unwägbarkeiten in der Branche sollten Anleger mit Blick auf Solarworld lieber zurückhaltend bleiben, hieß es in einem Kommentar von Equinet. Die Analysten bekräftigten ihre Verkaufsempfehlung und senkten das Kursziel auf 2,70 von 3,10 Euro. Zuletzt notierten Solarworld nur noch 1,8 Prozent im Minus.
Für den TecDax-Absteiger Q-Cells sah es nicht viel besser aus: Der ums Überleben kämpfende Solarkonzern rechnet angesichts des anhaltenden Preisverfalls und neuer Förderkürzungen in Deutschland mit . Die Aktie notierte 3,3 Prozent im Minus bei 0,26 Euro.
In Europa büßte der Eurostoxx50 nach anfänglichen Gewinnen 0,58 Prozent auf 2525,21 Punkte ein und auch die wichtigsten Indizes in Paris und London gaben nach. In den USA zeigte sich der Dow Jones Industrial zum europäischen Börsenschluss kaum verändert, die Nasdaq-Indizes legten dagegen leicht zu.
Unter den europäischen Einzelwerten sorgten vor allem die Aktien von Total, Royal Bank of Scotland und Finmeccanica für Aufsehen. Die Titel des französischen Ölmultis Total gerieten nach der massiv unter Druck und schlossen mit einem Abschlag von 6 Prozent bei 38,56 Euro als größter Verlierer im Eurostoxx50. Der Kurssturz vernichtete mehr als fünf Milliarden Euro an Marktkapitalisierung von Total und drückte die Titel auf ein Zweieinhalb-Monats-Tief. An der Bohrinsel "Elgin" des Betreibers Total strömte auch am Dienstag unkontrolliert hochexplosives Gas aus.
Dagegen waren die Aktien von RBS in London begehrt und gingen mit einem Plus von 3,3 Prozent auf 29,09 Pence als größter "Footsie"-Gewinner aus dem Handel. Nach bislang unbestätigten Informationen verhandelt die Regierung in London bereits seit einem halben Jahr mit der Königsfamilie des ölreichen Emirats Abu Dhabi über den Verkauf von bis zu mehr als einem Drittel ihres gut 80-Prozent-Anteils. Ein Abschluss stehe aber nicht unmittelbar bevor, sagte eine mit der Sache vertraute Person.
In Mailand sprangen Finmeccanica um 10,9 Prozent auf 3,85 Euro in die Höhe. Kreisen zufolge sind mehrere Konzerne an verschiedenen Teilen des Bahntechnikgeschäfts von Finmeccanica interessiert, darunter Hitachi und Siemens. Die Siemens-Aktie schloss in Frankfurt mit einem Minus von 0,3 Prozent.
An den US-Börsen notierten Dow-Jones-Index und S&P-500 unterdessen kaum verändert. Die Nasdaq verzeichnete leichte Aufschläge. Am Markt habe mehr Beachtung gefunden, dass der US-Index für das Verbrauchervertrauen auf 70,2 Punkte von revidiert 71,6 Zählern gefallen sei und nicht, dass der Rückgang etwas geringer ausfiel als erwartet, begründete ein Händler in Frankfurt die Zurückhaltung.
Am deutschen Rentenmarkt stieg die durchschnittliche Rendite börsennotierter Bundeswertpapiere auf 1,60 (Montag: 1,55) Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,21 Prozent auf 130,86 Punkte. Der Bund-Future legte um 0,48 Prozent auf 137,40 Punkte zu.
Der Kurs des Euro stieg: Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,3333 (1,3276) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,7500 (0,7532) Euro.
Quelle: ntv.de, DJ/dpa/rts