Unüberbrückbare Differenzen ABB-Chef Kindle gibt auf
13.02.2008, 13:53 UhrFred Kindle, Chef des Schweizer Elektrotechnikkonzerns ABB, ist überraschend zurückgetreten. Nach Angaben des Unternehmens gab es "unüberbrückbare Differenzen über die Führung des Unternehmens". Weitere Angaben machte der Konzern nicht und die Spekulationen schossen umso mehr ins Kraut, als ABB zusammen mit der Rücktrittsankündigung für 2007 einen neuen Rekordgewinn meldete. An der Börse verlor die ABB-Aktie in der Spitze zehn Prozent.
Analysten vermuteten, dass sich Kindle und der seit Mai 2007 amtierende Verwaltungsratspräsident Hubertus von Grünberg in der Frage von Übernahmen in die Haare geraten sind. Kindle, der Anfang 2005 vom damaligen ABB-Präsidenten Jürgen Dormann zu ABB geholt worden war, galt schon als Chef des Maschinenbauers Sulzer als sehr zurückhaltend bei Akquisitionen. Bei ABB hatte er Dutzende von Übernahmegelegenheiten verworfen, weil sie ihm zu teuer erschienen waren. Gleichzeitig hatte der Konzern immer wieder Übernahmen in Aussicht gestellt.
Weiter Zukäufe im Visier
In einer Telefonkonferenz wollte von Grünberg Kindles Abgang nicht weiter begründen und betonte mehrmals wie integer und tüchtig dieser sei. Auch in der Übernahme-Frage seien der Manager und der Verwaltungsrat immer auf einer Linie gewesen. ABB wolle weiter nach Zukäufen Ausschau halten, weiche dabei aber nicht von den bisherigen Rentabilitäts-Kriterien ab. An der Strategie und den Finanzzielen werde der Konzern auch nach dem Wechsel an der Spitze festhalten.
Vieles deutet darauf hin, dass Kindle und von Grünberg persönlich einfach nicht miteinander konnten. "Die Chemie zwischen den beiden stimmte nicht," hieß es in Branchenkreisen. Beobachter erinnern sich an die Lage beim deutschen Reifenhersteller Continental; auch dort hatte sich von Grünberg als Aufsichtsratschef mit Geschäftsleiter Stephan Kessel über den künftigen Kurs gestritten und diesen 2001 ersetzt.
Gewinnanstieg um 170 Prozent
Der 48jährige Liechtensteiner Kindle hinterlässt den ABB-Konzern Konzern in einer hervorragenden Verfassung. Der Gewinn kletterte 2007 getrieben von einer starken Nachfrage nach Energieausrüstung und Automationstechnik sowie internen Verbesserungen um 170 Prozent auf 3,76 Milliarden Dollar. Der Umsatz wuchs um ein Viertel auf 29,18 Milliarden Dollar. Auch die Aussichten für das laufende Jahr seien gut, sagte der als Interims-CEO agierende Finanzchef Michel Demare. Damit kann ABB die Dividende verdoppeln und ein Aktienrückkaufprogramm über bis zu 2,2 Milliarden Schweizer Franken starten und muss trotzdem nicht auf Milliarden-Übernahmen verzichten, sollte sich eine gute Gelegenheit bieten.
Das war nicht immer so. In den 90er Jahren war der Konzern damals unter Percy Barnevik in einen Kaufrausch geraten, der in einem riesigen Schuldenberg geendet hatte und ABB im Jahr 2002 an den Rand des Zusammenbruchs brachte.
Damals rettete Jürgen Dormann als Konzernchef das Unternehmen und mit Kindle ging es dann zurück in die Gewinnzone. Heute gehört ABB zu den am höchsten bewerteten Unternehmen der Branche. Am frühen Nachmittag notierte die ABB-Aktie gut acht Prozent im Minus bei 25,10 Franken.
Quelle: ntv.de