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Ein Fonds für alle Fälle Ackermann will EU-Paket

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hat als erster Top-Banker ein staatliches Hilfsprogramm für europäische Geldhäuser nach dem Vorbild der USA ins Spiel gebracht. "Wenn die USA ein solches Paket verabschieden, sollte Europa bereit sein, vergleichbare Lösungen zu finden", sagte der Ackermann am Rande einer Veranstaltung in Frankfurt. Die Bundesregierung bevorzugt dagegen, in jedem Einzelfall national zu entscheiden. Ein europäisches Rettungsmodell für die Finanzbranche stehe derzeit nicht zur Debatte und werde von niemandem ernsthaft vorgeschlagen, sagte ein Regierungssprecher.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angesichts der Finanzkrise bessere "Sicherungs- und Frühwarnsysteme" gefordert. "Es kann nicht sein, dass jeder Handwerker nach DIN-Normen arbeiten soll und viele Geräte vom TÜV geprüft werden, während auf dem Finanzmarkt etliche Milliarden-Produkte umlaufen, für die keine ausreichende Regeln gelten", sagte Merkel der "Bild"-Zeitung. Sie sei zuversichtlich, dass mit den USA eine Einigung auf eine Anpassung der Regelungen für den Finanzmarkt gelinge.

Nach dem 35-Milliarden-Rettungspaket für den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) lehnte es Merkel ab, allen deutschen Banken vorab umfassende staatliche Hilfe für den Notfall zuzusichern. "Der Bund kann und will keinen Blankoscheck für alle Banken ausstellen - egal, ob sie sich verantwortungsvoll verhalten oder nicht", sagte sie dem Blatt. Das deutsche Bankensystem sei stabiler als anderswo.

Unabgestimmter Vorstoß

In der EU gibt es nach Angaben der Bundesregierung keine Pläne für ein europäisches Rettungspaket nach dem Vorbild der USA. "Ich kenne aktuell niemanden, der ernsthaft so ein europäisches Modell vorschlägt", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Pauschale europäische Lösungen in der Finanzkrise beurteilte er zurückhaltend. Besser sei es, in jedem Einzelfall im jeweiligen nationalen Interesse zu entscheiden. Am Abend kursierten Gerüchte, Frankreich plane ein 300-Milliarden-Hilfspaket, das die EU-Staaten gemeinsam finanzieren sollten.

Paris hat inzwischen dementiert. Das Finanzministerium weise entsprechende Berichte "kategorisch" zurück, hieß es am Abend. "So etwas gibt es nicht", sagte Finanzministerin Christine Lagarde.

In Europa alles anders

Der Sprecher des Finanzministeriums, Torsten Albig, sagte, es gebe keinen Dissens darüber, dass die Standards im globalen Finanzsystem verbessert werden müssten, um Krisen zu vermeiden. Bei der akuten Krisenbewältigung gebe es aber zwischen Europa und dem homogenen Finanzmarkt der USA fundamentale Unterschiede. So sei nicht jedes EU-Mitglied gleich betroffen. "Bei uns bedarf es komplexerer Antworten, weil wir komplexere Strukturen haben." Die Regierung teile nicht die Meinung Ackermanns, sagte er.

Am Wochenende wollen die vier europäischen G8-Staaten - Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien - über Antworten auf die immer stärker auf Europa übergreifende Finanzkrise beraten. An dem Gipfeltreffen am Samstag in Frankreich sollen auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, sowie Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker teilnehmen, wie der Sprecher der Bundesregierung in Berlin bestätigte. Noch sei aber nicht klar, ob es zustande komme.

Merkel hält sich das Wochenende frei

Merkel wird nach Angaben ihres Regierungssprechers nach Paris reisen, sollte das Treffen stattfinden. Es handle sich allerdings nicht um einen "Krisengipfel", hieß es. Für Deutschland sei maßgeblich, was beim Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden Industrieländer (G7) nächste Woche in Washington beraten werde.

Die USA planen zur Stützung der Finanzbranche, Banken von faulen Hypothekenkrediten im Volumen von bis zu 700 Milliarden Dollar zu befreien. Im US-Kongress wird um die Ausgestaltung dieses Plans aber noch gestritten. In dieser Woche wollen die Parlamentarierer einen zweiten Anlauf nehmen, um das an den Märkten sehnsüchtig erwartete Paket abzusegnen.

Ein Fonds für alle Fälle

Bankchef Ackermann hält ein solches Programm zur Stützung der US-Bankenbranche für dringend nötig und forderte daher eine rasche Verabschiedung. Er hatte bereits vor Monaten bezogen auf die kritische Lage in den USA die "Selbstheilungskräfte der Märkte" infrage gestellt.

Der Chef der Deutschen Bank betonte zwar, dass es aktuell diesseits des Atlantik keinen unmittelbaren Bedarf für ein ähnliches milliardenschweres Programm wie in den USA gebe. "Doch solche Pläne müssen in der Schublade sein, um im Fall der Fälle gewappnet zu sein", sagte der Vorstandschef der größten deutschen Bank. Das Frankfurter Geldhaus ist seinerseits stark am US-Markt engagiert und drängt Finanzkreisen zufolge gemeinsam mit anderen europäischen Instituten darauf, ebenfalls von dem US-Paket profitieren zu können.

IWF-Chef drängt


Auch der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, fordert von Europa, sich mit einem gemeinsamen Plan auf eine Ausweitung der Krise einzustellen. Europäische Staaten seien nicht immun gegen die Turbulenzen, sagte der IWF-Chef. Ein europäisches Rettungsmodell nach US-Vorbild erwähnte er allerdings nicht.

Mehrere europäische Staaten mussten in den vergangenen Tagen Banken mit Milliardenhilfen zur Seite springen, um diese vor dem Aus zu bewahren. In Deutschland etwa wurde der Münchener Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate von der Kreditwirtschaft und dem Bund gerettet. Ackermann verteidigte diese am vergangenen Wochenende eingefädelte Hilfsaktion. "Wenn diese Bank nicht gerettet worden wäre, hätte das dramatische Folgen für die gesamte Branche gehabt", sagte er. Daher sei es auch notwendig, dass alle Finanzinstitute nun die Lasten schulterten und nicht nur die privaten Geschäftsbanken.

Bankenrettung im Detail

Im Streit um das HRE-Rettungspaket erwartet die Bundesregierung, dass sich die Finanzindustrie wie geplant an den Hilfen beteiligt. Es gebe keinen Anlass, an der Zusage zu zweifeln, maximal 8,5 Mrd. Euro der Ausfallbürgschaft für Kredite zu tragen. "Diese Zusage steht", sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Torsten Albig.

Von der Bürgschaft sollen drei Milliarden Euro auf private Banken entfallen und 5,5 Mrd. auf andere Finanzinstitute. Nach der dramatischen Rettungsaktion am Wochenende feilschen Banken und Versicherer aber noch über die Aufteilung der Ausfallbürgschaften. Der Bund und damit die Steuerzahler müssten mit bis zu rund 26,5 Mrd. einspringen, sollte die Bürgschaft fällig werden.

HRE soll weiter bestehen

Das Finanzministerium geht davon aus, dass auch die EU- Kommission die Hilfen für die HRE-Gruppe billigen werde. Der Sachverhalt unterscheide sich nicht von den Rettungsmaßnahmen etwa in den Benelux-Ländern oder in Großbritannien, sagte Albig.

Er stellte zugleich klar, dass mit dem Rettungspaket eine Fortführung des Immobilienfinanzierers gesichert werden solle. Sinn der Aktion sei es, eine "zukunftsträchtige Finanzierungsstruktur" für die HRE-Holding bis weit ins nächste Jahr sicherzustellen. Die geldgebenden Banken müssten aber auch die Sicherheit haben, dass die Rückzahlung ihrer Kredite nicht gefährdet sei.

Albig wies damit Spekulationen über eine Liquidation der Holding zurück. Auslöser waren Aussagen von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der von einer "geordneten Abwicklung" und einer "geordneten, marktschonenden" Verwertung von Vermögen der Bankengruppe gesprochen hatte.

Im Rahmen des Hilfspakets soll Vermögen der Gruppe verwertet werden mit der Folge, dass die HRE künftig anders aussehen wird. Dem Immobilienfinanzierer droht im schlimmsten Fall praktisch die Auflösung. Das Hilfspaket sieht nach Angaben von Bundesbank und der Finanzaufsicht BaFin vor, dass die HRE unter anderem die Anteilleihern vier operativen Tochtergesellschaften als Sicherheit für den Rettungskredit pfänden muss. Das Kernvermögen geht auf eine zu gründende Zweckgesellschaft über. Falls die Kredite nicht zurückgezahlt werden können, steht ein Verkauf der Töchter an.

Quelle: ntv.de

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