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Rezession in "neuer Dimension" Angst in Japan

In Japan bricht die Angst aus. Nach jahrelangem Aufschwung stürzt die zweitgrößte Wirtschaftsnation der Welt in die schwerste Rezession der Nachkriegszeit. "Japans Wirtschaft fällt über die Klippe", meinte ein Analyst in Tokio. In Folge der wegbrechenden Auslandsnachfrage drosselten die Industriekonzerne im Dezember nicht nur die Produktion im Vergleich zum Vormonat um 9,6 Prozent - gar um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr - und damit so heftig wie noch nie. Was verheerend hinzukommt, ist, dass die Unternehmen des Landes in noch nie dagewesenem Maße Stellen streichen. Volkswirte in Tokio sprechen von einer völlig "neuen Dimension" der Krise.

Japans Aufschwung der vergangenen Jahre war fast ausschließlich vom Export und Investitionen im Ausland getragen. Doch jetzt bricht die Nachfrage weg, zuerst aus den USA, dann aus China und dem übrigen Asien, für Japan inzwischen der größte Markt. Als Folge sank der Export im Dezember um 35 Prozent - und es dürfte noch schlimmer kommen. Selbst Unternehmen wie Toyota und Sony müssen ihre Ertragsprognosen zusammenstreichen und die Produktion drastisch drosseln. Und nun die Massenentlassungen. Die Arbeitslosenquote schoss im Dezember innerhalb eines Monats von 3,9 Prozent auf 4,4 Prozent hoch und damit so schnell wie seit 42 Jahren nicht mehr. Die Zahl der offiziell nicht beschäftigten Menschen liegt bei 2,7 Millionen, 390.000 mehr als im Vorjahresmonat.

Kein Arbeitsplatz sicher

Japanische Haushalte waren es bisher gewöhnt, dass ihre Löhne in Krisen sanken oder nicht wuchsen. Man reduzierte in solchen Zeiten die Ersparnisse, konsumierte aber weiterhin und sorgte dafür, dass die Binnennachfrage relativ stabil blieb. Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Arbeitsmarkt ist in den 1990er Jahren flexibilisiert und jede dritte Stelle in eine zeitlich befristete umgewandelt worden. Firmen können daher heute viel schneller und viel stärker Leute entlassen. Bis zu 400 000 irregulär Beschäftigte verlieren nach neuesten Schätzung zwischen Oktober und März den Job.

"Dies drückt die Stimmung unter den Menschen auf beispiellose Weise", erläutert Martin Schulz, Ökonom beim Fujitsu Research Institute in Tokio. Die Ausgaben der privaten Haushalte schrumpften im Dezember um 4,6 Prozent. All diese Konjunkturdaten sorgten unter den Ökonomen des Landes für Schockreaktionen, denn nun werde die Rezession nicht mehr nur von der sinkenden globalen Nachfrage getrieben, sondern auch von der Arbeitslosigkeit, dem sinkenden Binnenkonsum und dem Rückfall in die Deflation mit dauerhaft sinkenden Preisen. "Es gibt wirklich nichts da draußen, was zu Wachstum führt", sagte Junko Nishioka von RBS Securities der Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg in Tokio.

Japans Exportkonzerne wie Toyota bauen derweil ihre Lagerbestände ab. Sie haben sich zwar in den letzten Jahren stark restrukturiert, sind international extrem wettbewerbsfähig geworden und gehören zu den produktivsten Unternehmen mit den niedrigsten Lohnstückkosten. Aber all dies nützt nichts, solange die Nachfrage aus dem Ausland ausbleibt. Die inländische Nachfrage reicht nicht aus, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht.

Reformmüdigkeit abschütteln

Dabei liegen gerade im heimischen Markt Japans eigentliche Ressourcen. Das Land verfügt über enormes Kapital, das jedoch verborgen unter Kopfkissen oder auf Bankkonten schlummert. Um diese zu aktivieren, müsste das Land nach Auffassung von Volkswirten umfangreiche Reformen anpacken, was in den vergangenen Jahren verpasst worden ist. Kritiker bemängeln außerdem, dass Japan das Schwergewicht seiner Innovationen und seiner Forschungen noch immer auf die verarbeitende Industrie und die Weltmärkte legt.

Doch statt Reformen anzupacken sei die Politik am Zurückrudern. Dabei werden die Probleme zunehmend größer. Kein Land altert so schnell wie Japan und die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Zugleich wird der Handlungsspielraum kleiner: Japans Staatsverschuldung beläuft sich inzwischen auf 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Quelle: ntv.de, von Lars Nicolaysen, dpa

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