Kein Lohn-Dumping Auch Post nutzt Billiglöhne
21.05.2007, 15:07 UhrIm deutschen Briefmarkt werden nach einer Studie der Bundesnetzagentur abgesehen von wenigen Ausnahmen keine Dumping-Löhne gezahlt. "Die These eines flächendeckenden Prekariats wird von der Studie nicht gedeckt", sagte der Chef der auch für den Postmarkt zuständigen Regulierungsbehörde, Matthias Kurth. Die Vorwürfe des ehemaligen Staatsmonopolisten Deutsche Post und der Gewerkschaft Verdi liefen ins Leere. Post und Verdi wiesen dies zurück.
Die Deutsche Post und Verdi hatten die Bundesnetzagentur aufgefordert, Wettbewerbern die Lizenz zu entziehen, die mit Niedriglöhnen den Wettbewerb verzerrten. Vorstandschef Klaus Zumwinkel sieht durch Liberalisierung und Dumping-Löhne rund 32.000 Arbeitsplätze im Konzern in Gefahr. Kurth gab daraufhin eine Studie beim Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) in Auftrag, um die Lohnsituation im Sektor zu untersuchen.
Der WIK-Studie zufolge erhalten Bedienstete des Bonner Konzerns nach Tarif einen durchschnittlichen Stundenlohn von 11,40 Euro. Die Briefzusteller, mit über 80.000 Menschen die größte Gruppe der Post-Beschäftigten, kommen auf 11,29 Euro. Die aus der Zeit des Briefmonopols stammenden Tarif-Löhne der Post könnten kein Maßstab für die private Konkurrenz sein, erklärte Kurth.
Auch Post nutzt Niedriglöhne
Anders sei die Lage in Bereichen, die die Post schon in der Vergangenheit ausgelagert hat. Seit 1997 habe der Konzern bis zu 25.000 Vollzeitstellen in Filialen, in der Briefkastenentleerung und beim Transport in Subunternehmen verlagert. Dort werde im Mittel ein Stundenlohn von 8,00 Euro bei einer Wochenarbeitszeit von 43 Stunden gezahlt, ermittelten die WIK-Forscher. Dies liege noch unter dem durchschnittlichen Stundenlohn der Wettbewerber, die im Schnitt 8,44 Euro je Stunde zahlen. Briefzusteller der der Post-Konkurrenz kämen im Mittel auf 7,94 Euro je Stunde.
Die Durchschnittslöhne lägen insgesamt immer noch über dem von den Gewerkschaften geforderten Mindestlohn von 7,50 Euro die Stunde, sagte Kurth. Er hoffe deshalb auf eine Versachlichung der Debatte um die Löhne im Briefsektor. Die zentrale Forderung der Gewerkschaften nach Löhnen von mehr als 7,50 Euro sei schon erreicht. Kurzfristig sei kein Entzug von Lizenzen für einzelne Firmen geplant. Die Agentur wolle nun mit einer weiteren Erhebung beginnen, die das regionale Lohnniveau untersuchte, das sich innerhalb Deutschlands deutlich unterscheide.
Verdi: Kurth notfalls ablösen
Kurth mahnte Arbeitgeber und Gewerkschaften der Branche, sich auf einen Tarifvertrag zu einigen. Dies wäre die "optimale Lösung". Die Deutsche Post hat mit Verdi einen Haustarifvertrag geschlossen. Die großen Konkurrenten Pin AG und TNT Post haben sich gemeinsam mit der Gewerkschaft bereit erklärt, die Arbeitsbedingungen nach sozialen Mindeststandards zu gestalten.
Die Post und Verdi übten scharfe Kritik an Kurths Vorgehen. "Die Bundesnetzagentur hat ein sehr angreifbares Gutachten vorgelegt, um ihre verfehlte Regulierungspolitik zu rechtfertigen", sagte ein Post-Sprecher. An der Studie habe sich nur ein Bruchteil der Lizenznehmer beteiligt. Verdi sprach von einem "unseriösen Ablenkungsmanöver" Kurths und forderte die Bundesregierung auf, den Chef-Regulierer notfalls abzulösen.
Quelle: ntv.de