Hektik in Washington Autobauer flehen um Hilfe
19.11.2008, 16:01 UhrGegen wachsenden Widerstand haben die drei großen amerikanischen Autokonzerne ihren dringenden Rettungsbedarf vor dem Kongress untermauert. Bei einer zweiten Anhörung binnen 24 Stunden boten die Unternehmenschefs des angeschlagenen Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM), von Ford und Chrysler Zugeständnisse bei ihrem eigenen Gehalt, der Geschäftspolitik sowie der Abwicklung und Rückzahlung der erbetenen Kredite an, um die Skeptiker zu überzeugen.
Zwar herrschte am Mittwoch im Kongress weitgehende Einigung, dass die Autobauer 25 Mrd. Dollar zur Überbrückung ihrer Finanznöte erhalten sollen. Umstritten war aber, wie weit die Steuerzahler belastet oder ob bereits verabschiedete Hilfen dafür verwendet werden sollen.
Die Uhr tickt
Angesichts des enormen Zeitdrucks liefen im US-Senat hektische Verhandlungen über einen Kompromiss. Am Freitag endet die letzte Sitzungswoche bis zur neuen Legislaturperiode, die im Januar mit der Amtseinführung des designierten Präsidenten Barack Obama und des neugewählten Parlaments beginnt.
Sollte sich der Kongress jetzt nicht einigen, liegt die Entscheidung in der Übergangszeit beim republikanischen Amtsinhaber George W. Bush, der bekräftigte, kein frisches Steuergeld freizumachen.
Aus welchem Topf?
Carl Levin, demokratischer Senator aus Michigan, appellierte an das Repräsentantenhaus, die Hilfe nicht am Streit über die Quelle des Geldes scheitern zu lassen. In dem Heimatstaat der großen Autokonzerne stieg die Arbeitslosenquote im Oktober auf 9,3 Prozent und damit den höchsten Stand seit Juli 1992.
Die Demokraten, die im Kongress die Mehrheit haben, wollen die Hilfen aus dem 700 Mrd. Dollar schweren Bankenrettungspaket abzweigen. Die Republikaner favorisieren dagegen die Erweiterung eines bereits verabschiedeten Kreditpaketes über 25 Mrd. Dollar, das den Autokonzernen zur Umstellung auf spritsparende Fahrzeuge zur Verfügung steht.
Die Zweifel an einer schnellen Bewilligung der Hilfen schickten die Aktien der Autobranche auf eine historische Talfahrt. Während der Dow-Jones-Index bei minus zwei Prozent tendierte, stürzten die Anteile von GM um mehr als 16 Prozent auf den Stand von 1942 ab. Ford-Aktien gaben 20 Prozent nach. "Sollten die Unternehmenschefs eine Niederlage erleiden, müsste GM bis zum nächsten Kongress und der nächsten Regierung von der Hand in den Mund leben", warnten Aktienhändler.
Kreditkrise trifft Absatzkrise
Die Autobauer verbrennen derzeit wegen des Absatzeinbruchs und veralteter Strukturen monatlich Milliardensummen, blitzen aber bei privaten Kreditgebern nicht zuletzt wegen der Finanzkrise ab. GM braucht eigenen Angaben zufolge dringend Darlehen zwischen zehn und zwölf Milliarden Dollar, Ford rund acht Milliarden Dollar und die ehemalige Daimler-Tochter Chrysler sieben Milliarden Dollar.
"Der Branche fehlt Liquidität und die Lage ist kritisch", sagte Ford-Chef Alan Mulally am Mittwoch vor dem Ausschuss des Repräsentantenhauses. GM-Chef Rick Wagoner hatte bei der ersten Anhörung im Senat vor einem "katastrophalen Kollaps" der gesamten US-Wirtschaft gewarnt, wenn der Staat die Autobauer hängenlasse.
Der Ausschussvorsitzende Christopher J. Dodd hatte den drei Automanagern schwere Versäumnisse vorgeworfen. "Niemand kann sagen, er es kommen sehen", heißt es in seinem Redemanuskript, das n-tv.de vorliegt. "Ihre Unannehmlichkeiten, hier mit dem Hut in der Hand vor den Kongress zu treten, wird nur noch von der Tatsache übertroffen, dass sie Heilung für Wunden suchen, die sie sich zum Großteil selbst zugefügt haben."
Im Zuge der Probleme bei GM hat auch die Tochter Opel die Bundesregierung um eine Bürgschaft gebeten, über die Kanzlerin Angela Merkel bis Weihnachten entscheiden will. In das Ringen um den angeschlagenen Autobauer Opel mischte sich am Mittwoch überraschend der Bonner Solartechnikkonzern Solarworld ein: Das Unternehmen schlägt vor, die vier deutschen Opel-Werke und das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim zu übernehmen.
Auch Toyota drosselt
Der notleidende US-Autohersteller General Motors will infolge der Absatzkrise die Produktion weiter drosseln. Die Bänder in weiteren fünf Werken sollen im Januar für bis zu zwei Wochen still stehen, bestätigte der Opel-Mutterkonzern entsprechende Medienberichte. Auch der japanische Erzrivale Toyota kündigte weitere Produktionskürzungen an.
Der gesamte US-Automarkt war im Oktober um knapp 32 Prozent eingebrochen. Seit Januar fiel der Absatz aller Hersteller um fast 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Verkaufszahlen liegen damit so niedrig wie zuletzt vor und 25 Jahren.
Für das nächste Jahr befürchtet die Branche einen weiteren Absturz. Wegen der Finanzkrise bekommen viele Kunden für den Autokauf keine Kredite mehr oder wollen ihr Geld angesichts der unsicheren Aussichten lieber sparen.
Quelle: ntv.de