Lage "hoch gefährlich" Basteln am Plan B
06.10.2008, 12:16 UhrAuch nach der vorläufigen Rettung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) sieht Finanzminister Peer Steinbrück keinen Grund zur Entwarnung. Die Situation an den deutschen Finanzmärkten sei weiter "hoch gefährlich", sagte der SPD-Politiker. Im Augenblick sei nichts auszuschließen. Man könne lediglich dafür sorgen, "dass nicht andere Dominosteine umfallen".
Steinbrück zeigte sich überzeugt, dass eine "singuläre Lösung" wie bei der ins Trudeln geratenen HRE zur längerfristigen Stabilisierung der deutschen Finanzmärkte nicht ausreiche. Voraussichtlich werde ein bundesweites Sicherungssystem notwendig. Einzelheiten für einen solchen "Plan B" wollte er aber nicht nennen. Kurzfristig seien aber neue Bilanzierungsvorschriften für deutsche Unternehmen nach dem Vorbild der USA machbar.
Die von ihm und Bundeskanzlerin Angela Merkel abgegebene Komplettgarantie für private Spareinlagen nannte Steinbrück ein Signal, um zur Beruhigung beizutragen. Man habe vermeiden wollen, dass Bankkunden ihre Guthaben kurzfristig abheben "und unter die Matratze" legen.
Steinbrück bezeichnete es als beunruhigend, dass selbst Turbulenzen bei isländischen Banken inzwischen Auswirkungen in Deutschland hätten. Dies habe er sich vor einer Woche noch nicht vorstellen können.
Einzelheiten noch unklar
Unterdessen äußerte sich Vizekanzler und Außenminister Frank-Walter Steinmeier zurückhaltend zu der Frage, worauf sich die Regierungsgarantie für die Spareinlagen der Deutschen konkret bezieht. "Natürlich muss mit den Fachleuten jetzt geklärt werden, was im Einzelnen das ist ... Der Finanzminister und sein Ministerium sind dabei, das mit den Geldinstituten zu klären", sagte der SPD-Kanzlerkandidat in einem Fernsehinterview.
Es sei ein "großer Schritt" von Merkel und Steinbrück gewesen zu sagen, dass die Einlagen der Sparer gesichert seien. Dies sei "eine Haltung der gesamten Bundesregierung, und zwar beider Teile der Großen Koalition". Daran fühle er sich auch für den Fall seiner Wahl zum Bundeskanzler gebunden.
Wie es in Regierungskreisen hieß, soll über die bisherigen Sicherungssysteme hinaus eine Staatsgarantie für private Spareinlagen in ganz Deutschland greifen. Die Garantie gelte unbegrenzt. Die bisherigen gesetzlichen und weiteren Sicherungssysteme der deutschen Kreditwirtschaft gelten bereits als die weltweit besten. Es gibt aber keinen Komplettschutz.
Die ausgesprochene Garantie für alle privaten Spareinlagen umfasst eine Summe von mindestens 568 Mrd. Euro. "Die Bundesregierung will auf jeden Fall verhindern, dass Geld in größerem Stil abgehoben wird", sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Thorsten Albig.
Britische Regierung im Zugzwang
Nachdem die Bundesregierung eine Komplettgarantie für private Spareinlagen in Aussicht gestellt hat, ist der Druck auf die britische Regierung gewachsen. Die Opposition in London betonte, Großbritannien stehe nun unter Zugzwang, einen ähnlichen Schritt zu machen.
"Deutschland ist Europas wirtschaftliche Supermacht. Wo sie anführen, sind andere verpflichtet, zu folgen", sagte der Chef der Liberaldemokraten, Nick Clegg. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Partei, Vince Cable, sagte, Großbritannien werde dem Beispiel Deutschlands wahrscheinlich folgen müssen. Denn es bestehe die Angst, dass die Menschen ihr Geld von britischen Banken zu ausländischen brächten.
Aus Kreisen des Finanzministeriums in London verlautete, dass Ärger über Berlins Alleingang herrsche. Großbritannien ist von der Bankenkrise besonders betroffen. Bereits mehrere Banken sind im Strudel der Kreditkrise untergegangen und mussten vom Staat oder anderen Banken gerettet werden.
Quelle: ntv.de