Umstrittener Tanker-Auftrag Boeing zieht alle Register
11.03.2008, 22:35 UhrDer US-Luftfahrtkonzern Boeing hat offiziell Beschwerde gegen den milliardenschweren Auftrag der US-Luftwaffe an seinen europäischen Rivalen EADS eingelegt. Der in Chicago ansässige Konzern forderten den US-Rechnungshof GAO (Government Accountability Office) auf, die Entscheidung der Luftwaffe zu überprüfen. Boeing will damit Airbus doch noch den 40 Mrd. US-Dollar schweren Auftrag streitig machen. Die US-Behörde nimmt sich in der Regel 100 Tage Zeit, um Beschwerden zu prüfen. In der Vergangenheit hatte sie in einigen Fällen Neuausschreibungen herbeigeführt.
Boeing hat nach eigenen Angaben Beanstandungen zum Ausschreibungsverfahren. Die Airbus-Mutter EADS konterte, das Verfahren sei äußerst transparent und fair gewesen. EADS zeigte sich ebenso wie Boeing überzeugt, das bessere Flugzeug zu haben. Die Vergabe des Riesen-Auftrags für 179 Maschinen an Airbus und den US-Rüstungskonzern Northrop Grumman Ende Februar hatten Beobachter als Sensation gewertet.
Boeing-Chef Jim McNerney sagte, man habe "ernsthafte Schwächen" im Ausschreibungsprozess gefunden, die aus Sicht des Konzerns einen Protest rechtfertigten. "Das ist ein außerordentlicher Schritt, zu dem unser Unternehmen selten greift, und einer, den wir sehr ernst nehmen", betonte er in einer Erklärung. Boeing glaube weiterhin, das kostengünstigere und einsatzfähigere Tankflugzeug vorgeschlagen zu haben. Weitere Details kündigte der Konzern zur Vorlage des Protest am Dienstag an.
"Ich weiß nicht, auf welcher Basis Boeing sich beschwert", sagte dazu EADS-Chef Louis Gallois in Paris. "Wir haben erstens den Eindruck, das der Auswahlprozess außergewöhnlich professionell, transparent und fair war. Und zweitens meinen wir, dass wir das beste Produkt haben."
Gesetze gegen die Fremdvergabe
Mitten im Vorwahlkampf und im US-Konjunktureinbruch löste die Auftragsvergabe an Airbus zum Teil heftige politische Reaktionen aus. Unter anderem forderte die Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, eine Untersuchung der Auswirkungen auf die nationale Sicherheit der USA. Entsprechen begrüßten einige Politiker rasch die Boeing-Ankündigung.
Ein US-Abgeordneter will per Gesetz die Finanzierung eines Tankerauftrags des amerikanischen Militärs an EADS stoppen. Der republikanische Abgeordnete Todd Tiahrt sagte nach einem Treffen mit Vertretern der Luftwaffe, das Gesetz solle zudem allgemein das Gebotsverfahren bei der Air Force ändern. Tiahrt vertritt einen Bezirk im Bundesstaat Kansas, wo der EADS-Rivale Boeing seine Version des Tankflugzeugs gebaut hätte.
Unter anderem werde überlegt, dass Aufträge nur an Hersteller gehen dürften, deren Heimatstaaten mehr als zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Verteidigung ausgäben, sagte Tiahrt. "Die Logik dahinter ist die, dass wir aufgerufen sind, unsere Verbündeten zu verteidigen; wir investieren Geld, um sie zu verteidigen; sie müssen ein wenig Geld ausgeben, um sich selbst zu verteidigen."
Mehr als nur ein Tankflugzeug
Bei dem Auftrag der US-Luftwaffe geht es für Boeing und EADS um mehr als nur um den Bau eines Tankflugzeugs. Für EADS ist er ein Durchbruch auf dem bisher weitgehend für heimische Konzerne reservierten US-Markt. Einschließlich kommender Tranchen kann das Geschäft in den kommenden Jahrzehnten ein Volumen von 100 Mrd. US-Dollar übersteigen. Für Boeing war die Auftragsvergabe an Airbus ein schwerer Schlag: Der Konzern verliert sein lukratives 50-jähriges Monopol im Tankermarkt und muss die Fertigung des Verkehrsjets 767 aufgeben, der die Basis für den Tanker darstellt. Umgekehrt bekommt der Airbus A330 mit dem Tanker und der Frachtversion, die gemeinsam beide in den USA montiert werden sollen, ein zweites Standbein im Dollar-Raum.
US-Militärs hatten betont, die Airbus-Flugzeuge hätten den Vorzug erhalten, weil sie besser geeignet seien: Sie seien größer als die von Boeing angebotenen Modelle und könnten mehr Treibstoff und mehr Passagiere transportieren, zudem hätten sie mehr Lazarettplätze. Außerdem würden die Airbus-Flugzeuge in den USA gemeinsam mit dem amerikanischen Partner Northrop Grumman gebaut. Northrop soll die Maschinen militärisch ausrüsten, somit würden auch Arbeitsplätze in den USA geschaffen.
Pikante Vorgeschichte
Boeing hatte 2003 bereits einen Auftrag für neue Tankflugzeuge gewonnen - das Geschäft wurde jedoch rückgängig gemacht, nachdem bekannt wurde, dass die zuständige Beschaffungsbeamtin mit dem Konzern über einen Job verhandelte. Die Einkäuferin und der damalige Boeing-Finanzchef mussten infolge des Skandals ins Gefängnis.
EADS-Chef Gallois wollte die Zahl der Arbeitsplätze nicht beziffern, die der Tankerauftrag in Europa schaffen würde. "Das ist schwer zu beurteilen, weil wir nicht bei null anfangen." Werke wie Nordenham, Filton in Großbritannien und das westfranzösische Maulte würden die Teile fertigen, die am amerikanischen Standort Mobile im US-Bundesstaat Alabama montiert werden sollen. Das gebe Arbeit für 30 bis 40 Jahre und sei "eine gute Unterstützung für das derzeit boomende A330-Programm". Die seit 1992 fliegende A330 soll ab 2012 vom Langstreckenjet A350 abgelöst werden.
Quelle: ntv.de