Reaktion auf Kurskapriolen Börse deckelt VW
29.10.2008, 07:00 UhrAngesichts der jüngsten Kurskapriolen der Volkswagen-Aktie will die Deutsche Börse die VW-Gewichtung im Dax bereits ab Montag deckeln. Die Aktie solle auf zehn Prozent zurückgesetzt werden, "sofern sie diese Schwelle mit Abschluss des Handels am Freitag überschreitet", teilte die Deutsche Börse am späten Dienstagabend mit.
Zum Handelsschluss am Dienstag hatte Volkswagen den Angaben zufolge eine Gewichtung von 27 Prozent. Mit der außerordentlichen Anpassung ändert sich auch die Gewichtung der übrigen Dax-Werte. Grundlage sind die Schlusskurse am Freitag.
Normalerweise wird das Gewicht eines Unternehmens nur vier Mal im Jahr gedeckelt. Der nächste reguläre Termin ist der 22. Dezember. Die Volkswagen-Aktie schlägt jedoch seit zwei Tagen Kapriolen, was am Markt zunehmend für Unmut sorgte. Händler forderten Konsequenzen. Die Deutsche Börse hatte eine Anpassung ihrer Dax-Richtlinien zunächst abgelehnt. Es laufe alles nach den Regeln ab, man müsse den Markt gewähren lassen, hatte ein Sprecher noch am Dienstagnachmittag gesagt. Die Börse werde die weitere Entwicklung beobachten. Auch die Finanzaufsicht BaFin sah zunächst keinen Grund, tätig zu werden.
Finanzwelt empört
Die Kurskapriolen bei VW sorgten weltweit für Entrüstung bei Anlegern und Händlern. Fondsmanager zogen ihre Investments in Deutschland in Zweifel. Ein Händler warnte, dass auch die Seriosität von Instrumenten wie den Dax-Derivaten in Gefahr sei. Der US-Indexanbieter Stanley Capital Internationale (MSCI) kam der Deutschen Börse zuvor und änderte seine Regeln daraufhin.
Spätestens Ende November zieht MSCI bei der Berechnung seiner Indizes die von Porsche gehaltenen Cash-Optionen und VW-Papiere vom Streubesitz ab. Damit wird die Aktie erheblich geringer gewichtet.
VW teuerstes Unternehmen
Die Aktie des Wolfsburger Autobauers war am Dienstag mit einem Aufschlag von knapp 82 Prozent bei 945 Euro aus dem Handel gegangen, nachdem sie vorübergehend für mehr als 1000 Euro gehandelt wurde. Bereits am Montag hatte die VW-Aktie ihren Wert fast verzweieinhalbfacht und verzerrte mit ihren Ausschlägen den Dax. Der Deutsche Leitindex ging am Dienstag mit einem Plus von 11,3 Prozent aus dem Handel. Ohne VW hätte der Index aber 3,7 Prozent im Minus geschlossen.
Ausgelöst worden war die steile Bergfahrt durch eine Mitteilung von VW-Großaktionär Porsche, dass er sich bereits 74 Prozent an Volkswagen über Aktien und Optionen gesichert habe. Der Stuttgarter Sportwagenbauer wollte damit die Spekulationsblase platzen lassen, die sich um die Aktie gebildet hatte. Doch das zerstörte die Strategie von Hedge-Fonds, die auf fallende Kurse gesetzt hatten. Sie müssen die Papiere nun teuer zurückkaufen. Am Markt sind nur noch 5,8 Prozent an VW frei verfügbar.
Wer hat sich hier verzockt?
Einem Pressebericht zufolge haben Hedgefonds durch Short-Verkäufe von VW-Aktien 30 Mrd. Euro verloren. Das wäre einer der größten Verluste, die Hedgefonds jemals mit Aktien eines Unternehmen eingefahren haben, berichtet die Londoner Zeitung "Daily Telegraph".
"Dies ist ohne Frage der größte einzelne Verlust in der Geschichte der Hedgefonds", sagte ein Händler von North Square Capital der Zeitung. Ein nicht namentlich genannter Hedgefonds-Manager sagte der Zeitung: "In den letzten Monaten hat es bereits manchmal düster ausgesehen, aber nichts ist schwärzer als die Nacht jetzt. Wir hätten uns kein schlimmeres Szenario vorstellen können".
Brüderle: Gunst der Stunde nutzen
Angesichts des Höhenfluges beim VW-Kurs forderte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Rainer Brüderle, den VW-Großaktionär Niedersachsen auf, seine Volkswagen-Aktien zu verkaufen. "Das Land Niedersachsen sollte den derzeitigen Höhenflug der Volkswagen-Aktie dazu nutzen, sich jetzt von seinen Anteilen an dem Autobauer zu trennen", sagte Brüderle der "Berliner Zeitung".
"Für Niedersachsen wäre das viel sinnvoller, als am unsinnigen VW-Gesetz festzuhalten." Dann könne Volkswagen endlich ein ganz normales Unternehmen werden. Denn auch die neue Fassung des VW-Gesetzes, das dem Land ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen einräumt, enge Volkswagen in seinen Handlungsmöglichkeiten zu sehr ein.
Quelle: ntv.de