Streit um das VW-Gesetz Brüssel droht Berlin
27.05.2008, 13:42 UhrNach der Neufassung des VW-Gesetzes hat die EU-Kommission der Bundesregierung mit einer neuen Klage vor dem höchsten EU-Gericht gedroht. "Falls das Gesetz so bleibt wie es ist, haben wir keine andere Wahl, als wieder vor Gericht zu gehen", sagte der Sprecher von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy. Die Kommission werde zunächst die endgültige Fassung des Gesetzes abwarten und dann unverzüglich handeln.
"Die Kommission pocht darauf, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum VW-Gesetz eingehalten wird." Der EuGH hatte 2007 den gesetzlichen Sonderschutz vor Übernahmen in Wolfsburg gekippt und sich ausdrücklich gegen die niedrige Sperrminorität von 20 Prozent bei dem Autobauer gewandt.
Porsche und Brüssel provoziert
Die Bundesregierung hält auch mit dem geänderten Volkswagen-Gesetz an umstrittenen Sonderrechten für das Land Niedersachsen fest. Das Kabinett verabschiedete den Entwurf von Justizministerin Brigitte Zypries. Darin sind gegen den Willen von EU-Kommission und Hauptaktionär Porsche weiter Sonderrechte für das Land Niedersachsen vorgesehen.
In einer ersten Stellungnahme hatte sich die Regierung bereits zu einer schnellen Reaktion bereit erklärt, falls die Kommission auch gegen das geänderte Gesetz vorgehen sollte. Die Bundesregierung gehe allerdings davon aus, dass das neue Gesetz EU-Recht entspreche, hieß es.
Niedersachsen hält etwas mehr als ein Fünftel der Anteile an Deutschlands größtem Autobauer. Innerhalb der Regierung war umstritten, ob die Gesetzesänderung damit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes gerecht wird. Das oberste EU-Gericht hatte wesentliche Teile des VW-Gesetzes als Verstoß gegen die Kapitalfreiheit in Europa eingestuft.
Porsche zieht vor Gericht
Der Stuttgarter Sportwagenbauer und VW-Großaktionär Porsche zieht im Machtkampf bei VW nun vor Gericht. Porsche-Vertreter reichten Klage beim Landgericht Braunschweig ein. Im Kern geht es dabei um die Ablehnung eines Antrags auf der VW-Hauptversammlung. Porsche wollte mit dem Antrag die Satzung bei Europas größtem Autokonzern ändern. Auf diese Weise sollte die geltende 20-prozentige Sperrminorität auf 25 Prozent erhöht und der Einfluss des Landes Niedersachsen beschränkt werden. Die Klage ziele darauf, Rechtsklarheit zu schaffen, begründete Porsche den Schritt.
Porsche war mit dem Antrag auf der Hauptversammlung Ende April gescheitert. Die Änderung hätte die Satzung des VW-Konzerns nach Auffassung der Porsche-Vertreter vollständig an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum VW-Gesetz angepasst.
"Eine nur teilweise Umsetzung des EuGH-Urteils in der Unternehmens-Satzung, wie sie das Land Niedersachsen in der Hauptversammlung beantragt hatte, schafft keine Klarheit, sondern stiftet Verwirrung", erklärte Porsche. Die VW-Aktionäre, die Mitarbeiter und der Kapitalmarkt hätten Anspruch darauf, durch den Blick in die Satzung feststellen zu können, welche rechtlichen Regelungen bei VW gelten. Dies müsse nun durch den Gang vor Gericht sichergestellt werden.
Der EuGH hatte im Oktober 2007 der Auffassung der EU-Kommission Recht gegeben, dass einige Bestimmungen des 1960 entstandenen VW-Gesetzes gegen europäisches Recht verstoßen. Das VW-Gesetz garantiert dem Land Niedersachsen und der Bundesregierung je zwei Sitze im Aufsichtsrat, solange sie VW-Aktien halten. Außerdem darf auf der Hauptversammlung des Konzerns kein Aktionär mehr als 20 Prozent der Stimmen geltend machen, selbst wenn er über mehr Anteile verfügt. Für Beschlüsse der Hauptversammlung wird eine Mehrheit von 80 Prozent verlangt.
Die Porsche Automobil Holding hält knapp 31 Prozent am VW-Konzern und alle Stammaktien an Porsche.
Auch Niedersachsen klagt
Neben Porsche hat auch der zweitgrößte Volkswagen-Anteilseigner Niedersachsen eine Klage auf Änderung der Satzung des Wolfsburger Konzerns eingereicht. Die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft, die die VW-Aktien des Landes hält, habe sich am vergangenen Mittwoch an das Landgericht Hannover gewandt, teilte das niedersächsische Finanzministerium am Dienstag mit. "Ziel ist es, die Satzung der Volkswagen AG dem Europäischen Recht anzupassen", sagte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU).
Die Klage richtet sich gegen den Beschluss der Volkswagen-Hauptversammlung, mit dem ein niedersächsischer Antrag auf Anpassung der VW-Satzung an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum VW-Gesetz abgelehnt wurde.
Für die Anpassung solle das bisher bestehende Entsendungsrecht für Aufsichtsratsmitglieder des Landes Niedersachsen und des Bundes entfallen, so dass alle Aufsichtsratsmitglieder gewählt würden, erklärte das Ministeriums. Zudem solle die bisher geltende Begrenzung des Stimmrechts auf höchstens 20 Prozent aus der Satzung gestrichen werden.
Der niedersächsische Antrag habe auf der VW-Hauptversammlung nicht die erforderliche Mehrheit erhalten, da Porsche dagegen gestimmt habe. "Das Stimmverhalten ist gegen die Interessen der Volkswagen AG gerichtet und nicht nachvollziehbar", sagte Möllring. Schließlich habe auch Porsche in seinem Satzungsantrag die Streichung der beiden Satzungsbestimmungen gefordert.
Auf der Hauptversammlung hatten Niedersachsen und Porsche unterschiedliche Anträge zur Anpassung der VW-Satzung an das Europäische Recht eingebracht. Während das Land die Satzung nur in zwei wichtigen Punkten ändern wollte, beantragte Porsche, auch die besondere Sperrminorität von 20 Prozent statt der sonst üblichen 25 Prozent aus der Satzung zu streichen. Am Ende erhielt keiner der beiden Anträge die notwendige Mehrheit.
Quelle: ntv.de