Neue Milliardenabschreibungen Citigroup schockt Anleger
05.11.2007, 07:07 UhrNach dem Rücktritt von Unternehmenschef Charles Prince kämpft der größte US-Finanzkonzern Citigroup infolge der Kreditkrise mit neuen Rekordabschreibungen in Milliardenhöhe. Eine Übergangsführung soll die sich ausweitenden Finanzprobleme in den Griff kriegen und einen Nachfolger für die Konzernspitze finden. Die Wall Street spekuliert unterdessen bereits über eine Aufspaltung des Unternehmens oder einen Verkauf einzelner Sparten.
Zum Interims-Chef wurde bei einem dramatischen Krisentreffen des Verwaltungsrates der Vorsitzende des Europa-Geschäfts der Citigroup, Winfried Bischoff, berufen. Neuer Chef des Verwaltungsrates ist der frühere US-Finanzminister Robert Rubin. Prince hatte auch dieses Amt inne. Ein vierköpfiges Findungsgremium soll die Nachfolgersuche übernehmen. In Frage kämen interne wie externe Kandidaten, sagte Rubin.
Gesch äftsmodell im Fokus
Mit dem Abgang von Prince steht laut Bankexperten auch das Citigroup-Geschäftsmodell eines Allfinanz-Konzerns zur Debatte. Ein neuer Chef müsse womöglich einen Strategiewechsel einläuten. Citigroup hat mehr als 300.000 Beschäftigte in rund 100 Ländern und eine über zwei Billionen Dollar schwere Bilanz.
Die Bank muss eigenen Schätzungen zufolge nochmals bis zu elf Mrd. US- Dollar abschreiben. Vor wenigen Wochen hatte sie bereits Wertverluste von rund sechs Mrd. Dollar vermeldet - davon allein 2,2 Mrd. US- Dollar wegen Problemen durch die Kredit-Turbulenzen.
Die neuerlichen Verluste würden den Konzerngewinn voraussichtlich um bis zu sieben Mrd. US- Dollar drücken, erwartet Citigroup. In den ersten neun Monaten dieses Jahres verdiente Citigroup bislang rund 13,6 Mrd. Dollar. Es gebe aber keine Pläne, die Dividende zu kürzen. Bis Mitte 2008 will die Bank wieder ihre Ziele bei den Kapitalquoten erreichen.
Experten hatten zwar weitere Bereinigungen erwartet - aber kaum in diesem Ausmaß. Eine eigene neue Abteilung soll sich künftig um die problematischen Kreditpapier-Geschäfte kümmern, kündigte Rubin an. Die US-Börsenaufsicht SEC prüft bereits bei Citigroup und anderen Banken, ob alle Risiken richtig eingeschätzt wurden. Wall Street- Analysten erwarten auch für andere Großbanken weitere Abschreibungen und eventuell personelle Konsequenzen in den Top-Etagen.
Hohe Abfindung
Der 57 Jahre alte Prince sagte, angesichts des Ausmaßes der jüngsten Verluste im Geschäft mit Kreditpapieren sei für ihn der Rücktritt "der einzige ehrenhafte Weg". Zum Abschied wird Prince laut Medienberichten rund 100 Mio. US-Dollar in bar und Aktienoptionen erhalten - zusätzlich zu seiner Vergütung von rund 53 Mio. US-Dollar für die vierjährige Amtszeit. Binnen weniger als einer Woche musste damit bereits der zweite Chef einer amerikanischen Großbank wegen der Kreditmarkt-Turbulenzen seinen Hut nehmen. Erst am vergangenen Dienstag war Merrill-Lynch- Chef Stan O'Neal nach den höchsten Abschreibungen in der Geschichte der Investmentbank zurückgetreten.
Der 66 Jahre alte Übergangschef Bischoff war zuvor Vorsitzender der Asset Management-Gesellschaft Schroders in London, bis sie von der Citigroup gekauft wurde. Der 69-jährige Rubin arbeitet seit 1999 in hoher Position außerhalb des unmittelbaren Tagesgeschäfts für die Bank und gehörte bereits dem Verwaltungsrat an. Er gilt als enger Vertrauter von Prince. Laut "New York Times" wird sein Rückzug aus dem Konzern erwartet, sobald ein neue Führung gefunden ist.
Zu den heiß gehandelten Kandidaten für den Spitzenjob zählen der derzeit für das laufende Geschäft verantwortliche Top-Manager Robert Druskin (COO) und der für das Investment Banking zuständige Vikram Pandit, der erst vor gut einem halben Jahr von der Investmentbank Morgan Stanley zur Citigroup kam. Als externe Lösung im Gespräch ist der frühere Goldman-Sachs-Präsident und heutige Chef des weltgrößten Börsenbetreibers NYSE Euronext, John Thain.
Analystin bedroht
Nach ihrer Herabstufung der Citigroup ist die Analystin Meredith Whitney von CIBC World Markets nach eigenen Angaben mit dem Tode bedroht worden. "Die Kunden sind über meine Bewertung nicht glücklich und ich habe mehrere Todesdrohungen erhalten", sagte sie der in London erscheinenden "Times" am Wochenende.
Es sei jedoch die eindeutigste Einstufung, die sie in ihrer Karriere je gemacht habe. Von den Wall-Street-Firmen sei sie noch nie unter Druck gesetzt worden. Aber Investoren könnten "bösartig und streitlustig" werden, wenn sie der Meinung seien, Geld durch eine Bewertung verloren zu haben.
Whitney war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Frau des ehemaligen Wrestlers John "Bradshaw" Layfield hatte die Citigroup am Donnerstag auf "sector underperformer" herabgestuft und von einem dringenden Kapitalbedarf von 30 Mrd. US-Dollar gesprochen. Citigroup-Aktien fielen darauf hin um etwa sieben Prozent und zogen die US-Börsen ins Minus.
Quelle: ntv.de