Meldungen

Bis zum bitteren Ende Daimler zahlt für Chrysler

Mit dem Verkauf des US-Autobauers Chrysler an den Finanzinvestor Cerberus zieht Daimler einen teuren Schlussstrich unter neun Jahre Ehe mit Milliardeneinbußen. Cerberus übernimmt für 5,5 Mrd. Euro gut 80 Prozent an Chrysler. Das teilte der wohl nur noch bis Herbst als DaimlerChrysler firmierende Konzern am Montag mit.

Die Scheidung wird die Bilanz des Stuttgarter Unternehmens in diesem Jahr netto mit drei bis vier Mrd. Euro belasten, da der Großteil des Kaufpreises Chrysler zufließt. Daimler muss zudem noch Schulden und die Finanzierung von Gesundheitskosten für die Chrysler-Beschäftigten schultern.

Mit einem Abschluss sei im dritten Quartal zu rechnen, hieß es. Dann sollen die Aktionäre auch über die Umbenennung in Daimler AG entscheiden. Mit knapp 20 Prozent will Daimler am wieder Verluste schreibenden Massenhersteller jedoch beteiligt bleiben, um gemeinsame Pkw-Projekte der eigenen Nobelmarke Mercedes-Benz und von Chrysler abzusichern. Die Transaktion steht unter Vorbehalt des Aufsichtsrates und der behördlichen Genehmigungen.

Die Börse honorierte die Trennung, die Investoren seit Jahren gefordert haben, mit einem satten Kursplus. Die seit Wochen von Verkaufsspekulationen angetriebene Aktie von DaimlerChrysler legte in der Spitze knapp acht Prozent zu und war klarer Dax-Gewinner.

Zetsche: Möglichkeiten ausgeschöpft

"Wir sind davon überzeugt, eine Lösung gefunden zu haben, die insgesamt den größten Wert schafft - für Daimler und Chrysler", kommentierte der zu Jahresbeginn 2006 vom Chrysler-Chefposten an die Konzernspitze gerückte Dieter Zetsche in der Unternehmensmitteilung. "Die Synergien, die zwischen Mercedes-Benz und Chrysler möglich sind, wurden ausgeschöpft." Neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit seien wegen der unterschiedlichen Fahrzeugsegmente und Absatzmärkte begrenzt.

Zetsche hatte sich selbst unter Zugzwang gesetzt, eine dauerhaft tragfähige Lösung für die absatzschwache US-Tochter Chrysler zu finden. Mitte Februar brachte er erstmals öffentlich die Trennung von Chrysler ins Gespräch. 2006 war Chrysler - trotz der Sanierungsbemühungen Zetsches - zum dritten Mal seit der 1998 eingegangenen Fusion mit der damaligen Daimler-Benz AG in die Verlustzone abgerutscht und hatte abermals ein Milliarden-Minus verbucht. Milliardenschwere Investitionen und erneute Stellenstreichung sollen ab 2009 wenigstens eine magere Rendite von 2,5 Prozent möglich machen. Dieser Marke eilen die Konzernschwestern Mercedes-Benz-Pkw und die Lkw-Sparte weit voraus und peilen Gewinnmargen von mehr als sieben Prozent an.

Bernhard wird nicht Manager

An der künftigen Chrysler Holding soll Cerberus exakt 80,1 Prozent der Anteile halten. "Eine private Investmentgesellschaft wie Cerberus wird ein Management zur Verfügung stellen, das sich auf langfristige Ziele fokussiert statt auf den Druck kurzfristiger Ergebniserwartungen", begründete Cerberus-Chairman John Snow die Mehrheitsübernahme. "Wir glauben an Chrysler." Gerüchte, dass der frühere Chrysler-Manager Wolfgang Bernhard einen Posten bei seinem früheren Arbeitgeber übernehmen könnte, wurden von Cerberus dementiert. Bernhard werde nicht Mitglied des Management-Teams von Chrysler, sagte Snow. Er stehe aber als Berater zur Verfügung. Cerberus hatte Bernhard erst vor kurzen nach dessen Ausscheiden bei VW als Berater ins Boot geholt.

Von der Einlage von 5,5 Mrd. Euro, die Cerberus leistet, sollen 3,7 Mrd. in das Industriegeschäft und 800 Mio. in das Finanzdienstleistungsgeschäft der Chrysler Holding fließen, um die jeweilige Eigenkapitalquote zu stärken. Den Restbetrag von einer Milliarde Euro erhalte DaimlerChrysler.

Zugleich gewähre der bisherige Mutterkonzern der Chrysler Corporation ein Darlehen von 300 Mio. Euro. Das Industriegeschäft solle komplett Schuldenfrei übergeben werden. Dies werde DaimlerChrysler 1,2 Mrd. Euro kosten. Zusätzlich sollen langfristige Schulden von Chrysler abgelöst werden. Der bisherige Mutterkonzern behält noch die restlichen 19,9 Prozent an Chrysler.

Schlappe für Kerkorian

Als Interessenten für Chrysler galten neben Cerberus auch der bei der Deutschen Telekom engagierte Finanzinvestor Blackstone sowie der kanadische Autozulieferer Magna International. Der US-Milliardär und frühere Chrysler Großaktionär Kirk Kerkorian hatte 4,5 Mrd. US-Dollar für Chrysler geboten und einem Eingeweihten zufolge den Schulterschluss mit den Chrysler-Beschäftigten gesucht. Rund 50.000 Chrysler-Mitarbeiter hatten ein Komitee gegründet, um ihren Arbeitgeber in Eigenregie zu übernehmen und vor dem Zugriff von branchenfremden Investoren zu schützen.


Durch den Verkauf reduzierten sich die Kapitalmittel des Stuttgarter Premiumherstellers per saldo um 0,5 Mrd. Euro. Die Deutschen hatten Chrysler 1998 für 36 Mrd. US-Dollar gekauft. Unter der Regie des heutigen Konzernchefs Zetsche wurde Chrysler aufwändig saniert. Bis zuletzt verbuchte Chrysler jedoch hohe Verluste. Daher kündigte DaimlerChrysler an, für Chrysler "alle Optionen" zu prüfen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen