Schwarze Siemens-Kassen Deutsche Banken verwickelt?
19.06.2008, 19:25 UhrDie Schmiergeldaffäre bei Siemens findet kein Ende. Möglicherweise sind die Deutsche Bank, Commerzbank und die Berliner Bankgesellschaft in den Skandal verwickelt. Wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, geht die Staatsanwaltschaft dem Verdacht nach, dass eine frühere Exportgesellschaft der drei Banken als schwarze Kasse gedient hat. Bei der Firma Lincas Elektro Vertriebs-GmbH in Hamburg sollen bis ins Jahr 2003 hinein, als die Exportgesellschaft noch den Banken gehörte, Mittel in Millionenhöhe abgezweigt und von Siemens als Schmiergeld genutzt worden sein.
In einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München sei Lincas als „schwarze Kasse“ bezeichnet worden, heißt es weiter. Der Durchsuchungsbeschluss war vorsorglich erlassen worden, um der Staatsanwaltschaft den Zugriff auf Unterlagen von Lincas zu ermöglichen. Die Firma, die heute Siemens gehört und Exporte für den Konzern abwickelt, gab die gewünschten Unterlagen aber freiwillig heraus.
In der Zeit, als sich die mutmaßlichen Gesetzesverstöße abspielten, war Siemens nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" noch nicht Eigentümer von Lincas. Die Deutsche Bank war über ihre Süddeutsche Vermögensverwaltung mit 50 Prozent an Lincas beteiligt. Die Commerzbank und die Berliner Bankgesellschaft hielten jeweils 25 Prozent. Erst im März 2003 überließen die drei Finanzinstitute ihre Anteile Siemens. Siemens nutzt Lincas seit vielen Jahren als Dienstleister für den weltweiten Export von Elektronik- und Kommunikationsanlagen.
Dass die Deutsche Bank bei Lincas auch sonst eine größere Rolle einnahm als die beiden anderen Mitgesellschafter, ergibt sich laut der Zeitung darüber hinaus aus der Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Der wurde jahrelang von Jürgen Krumnow geleitet, einem früheren Vorstand der Deutschen Bank. Laut Firmenunterlagen war Krumnow bis 2004 Aufsichtsratschef bei Lincas. Sein Stellvertreter war Jürgen Radomski, damals Personalvorstand von Siemens. Komplettiert wurde das Kontrollgremium von Bernd A. Wilken, Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank in Hamburg. Lincas machte Anfang des Jahrzehnts noch fast eine Milliarde Euro Umsatz.
"Lediglich eine Finanzbeteiligung"
Die Deutsche Bank erklärte, ihr lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Siemens sich die Lincas Electro Vertriebs GmbH für Schmiergeldzahlungen zunutze gemacht haben könnte. Man sei lediglich eine „Finanzbeteiligung“ an der Exportgesellschaft eingegangen, die von 1958 bis März 2003 bestanden habe. „Es war keine unternehmerische Beteiligung.“ Die Commerzbank bezeichnete ihr früheres Engagement bei Lincas als „alte Minibeteiligung“. Die Landesbank Berlin Holding AG, in der die Berliner Bankgesellschaft vor Jahren aufgegangen war, sprach von einem früheren „Finanzinvestment“ bei Lincas. Über einen Zusammenhang zwischen Lincas und der Korruptionsaffäre bei Siemens lägen keine Informationen vor.
Laut Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld laufen die Ermittlungen noch. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Banken in irgendeiner Form in die betreffenden Vorgänge involviert gewesen wären. Siemens äußerte sich nicht zu den Ermittlungen bei Lincas, die auch im Unternehmen selbst vorangetrieben werden. Die vom Aufsichtsrat des Konzerns eingeschaltete amerikanische Kanzlei Debevoise & Plimpton, die zur Aufklärung des Schmiergeldskandals beitragen soll, geht nach Angaben aus Unternehmenskreisen den Verdachtsmomenten im Fall Lincas nach.
Geschäfte wie geschmiert
Ausgelöst worden sind die Ermittlungen durch einen langjährigen Siemens-Angestellten aus der Sparte Energieübertragung, der Schmiergeldzahlungen gestanden hat. Der frühere Siemens-Kaufmann sagte bei der Staatsanwaltschaft aus, bei zwei Großprojekten in Asien habe man Leute an „entscheidender Stelle“ bestochen, um die Aufträge zu erhalten. Das seien entweder die Kunden selbst oder „politisch Verantwortliche“ gewesen. Die Sparte Energieübertragung habe Mittel von Lincas genutzt. Für die zwei Großprojekte seien von Lincas über Scheinfirmen und Scheinverträge neun und vier Mio. Euro nach Dubai am Persischen Golf und von dort zu den Geldempfängern geschleust worden.
Nach Angaben eines anderen ehemaligen Siemens-Angestellten, der schwarze Kassen betreute, soll Lincas vor allem der Energiesparte beim Bau von Kraftwerken und Hochspannungsanlagen weltweit illegale Provisionszahlungen ermöglicht haben. Das sei vor der Übernahme von Lincas durch Siemens im März 2003 geschehen. Inzwischen ist die Firma ein Auslaufmodell, die Umsätze sind drastisch gesunken. Nach Angaben eines Siemens-Sprechers soll Lincas im nächsten Geschäftsjahr aufgegeben werden.
Quelle: ntv.de