Milchbauern streikbereit Diskussion um faire Preise
08.06.2008, 17:46 UhrNach dem Ende des Milch-Lieferboykotts bleibt eine dauerhafte Lösung für den eskalierten Preisstreit weiter offen. Nach Lidl und Edeka gab es zunächst keine weiteren Ankündigungen von Preiserhöhungen aus dem Handel. Zudem blieb unklar, ob die angekündigten höheren Preise für die Bauern einen Anstieg des Einkaufpreises in dem von ihnen erwarteten Umfang bedeuten werden. Während es im Handel bisher vor allem um zehn Cent mehr für einen Liter Milch ging, verwiesen die Molkereien bereits darauf, dass Trinkmilch nur einen geringen Teil der von ihnen produzierten Produkte ausmache. Die Bauern drohen mit einem erneuten Lieferstopp. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) warnte die Molkereien davor, vom Handel zugesagte Preiserhöhungen nicht an die Bauern weiterzugeben.
"Nach dem Lieferstopp könnte vor dem Lieferstopp sein", mahnte der Geschäftsführer des Bundes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Thorsten Josef Sehm, in der "Berliner Zeitung". Um ordentliche und vor allem kostendeckende Preise zu erzielen, müsse es eine flexible Mengensteuerung geben: Verträgt der Markt mehr Milch, bekomme er mehr, wenn nicht, dann weniger. Die Milchbauern fordern einen Einkaufspreis von 43 Cent je Liter. Zuletzt lag er zum Teil um zehn Cent darunter, was den zehntägigen Lieferboykott ausgelöst hatte.
Milch und Butter nur ein kleiner Teil
Handelsexperten gehen davon aus, dass die meisten Handelsketten dem Beispiel des Discounters Lidl folgen und den Milchpreis um zehn Cent pro Liter Milch erhöhen werden. Die Butter will Lidl um 20 Cent für 250 Gramm teurer machen.
Die Milchwirtschaft erklärte zwar ausdrücklich, alle Mehreinnahmen an die Landwirte weiterzureichen, wies allerdings darauf hin, dass Milch und Butter nur einen geringen Teil aller Produkte ausmachten. Für die anderen Produktgruppen müsse jetzt einzeln verhandelt werden. Außerdem gingen nur etwa 45 Prozent der deutschen Milch-Produktion in den Lebensmittel-Einzelhandel, der Rest fließe an die Industrie und in den Export. So sprach zum Beispiel Nordmilch-Vertriebsvorstand Martin Mischel nur von einem Mehrerlös von 0,3 Cent.
Seehofer fordert Selbstversorgung
Seehofer forderte die Molkereien auf, rasch Verhandlungen mit den Handelsketten aufzunehmen. "Das wäre ja geradezu absurd, wenn das von den Bauern erkämpfte Geld nicht bei ihnen ankommen würde", sagte er an die Adresse der Milchindustrie im Deutschlandfunk. An die Verbraucher appellierte der Minister, höhere Preise zu akzeptieren: "Wenn wir die Bauern hier in Deutschland nicht existieren lassen, dann wird die Lebensmittelproduktion im Ausland stattfinden und wir müssen dann jeden Preis bezahlen, der auf dem Weltmarkt dafür verlangt wird."
BDM-Chef Romuald Schaber rief Seehofer auf, den angekündigten Milchgipfel möglichst noch in diesem Monat zu veranstalten. Der Schwung, der jetzt in die Diskussion um Milchpreise gekommen sei, müsse genutzt werden, um schnell Ergebnisse zu erzielen, sagte Schaber dem "Tagesspiegel". Es gehe darum, konkret auszuloten, was politisch unterstützend unternommen werden könne, um den Bauern auch langfristig faire Preise zu sichern. "Der Gesetzgeber in Deutschland hat durchaus Möglichkeiten, die Milchproduktion zu beschränken, damit sich am Markt ein besserer Preis bilden kann", sagte Schaber.
Vorbild Österreich
Ein "Fairness-Siegel" nach österreichischem Vorbild brachte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU), ins Gespräch. "Am Milchregal können die Verbraucher kaum erkennen, woher die Milch stammt und welchen Preis die Bauern erhalten", kritisierte er in einem Gastbeitrag in der "Bild am Sonntag". In Österreich werde dagegen mit der vor zwei Jahren eingeführten Kennzeichnung "A faire Milch" dafür gesorgt, dass die Verbraucher die Bauern direkt unterstützen könnten.
Der Lieferboykott, wegen dem wiederholt ganze Tankladungen Milch in den Abfluss geschüttet wurden, stieß in Deutschland auf ein gespaltenes Echo. Laut einer Umfrage haben 54 Prozent Verständnis dafür, 45 Prozent billigten die Aktion nicht, ermittelte das Institut TNS Emnid im Auftrag der "Bild am Sonntag".
Quelle: ntv.de