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Microsoft-Strafe in Frage gestellt EU-Gericht erwägt Annulierung

Im Kartellstreit mit Microsoft hat das zweithöchste europäische Gericht die Höhe der beispiellosen Kartellstrafe gegen den US-Softwareriesen in Frage gestellt. Zum Abschluss der Anhörung in dem Fall stellte das Gericht die Überlegung an, einen Teil der von der EU verhängten Strafe in Höhe von fast einer halben Milliarde zu annullieren. In dem Mammut-Verfahren steht für beide Seiten viel auf dem Spiel: die Rolle der EU-Kommission und ihr Ruf als Kartellbehörde einerseits sowie die Geschäftspraktiken des größten Software-Konzerns andererseits. Die Entscheidung des Gerichts wird erst in Monaten, möglicherweise sogar erst 2007 erwartet.

Kurz vor Ende der einwöchigen Anhörung hakte Richter John Cooke in einem grundlegenden Punkt der EU-Entscheidung gegen Microsoft aus dem Jahr 2004 nach: Die hohe Strafe ist mit zwei verschiedenen Vorwürfen begründet, die sehr unterschiedliche Verletzungen des Kartellrechts betreffen. "Es sind zwei verschiedene Vorwürfe des Missbrauchs der Marktmacht genannt, aber nur eine Strafsumme", sagte Cooke, der den Entwurf des Urteils für das 13-köpfige Richtergremium niederzuschreiben hat. "Wie soll das Gericht die Strafe anpassen, wenn es den einen Vorwurf fallen lassen und den anderen bestätigen will?" Der Vertreter der EU-Kommission wusste darauf zunächst keine Antwort. "Wir haben darüber nicht nachgedacht", sagte Fernando Castillo de la Torre schließlich.

Die Nachfrage deutet nicht zwangsläufig die Richtung an, in die sich das Gericht bewegt. Nach Einschätzung der meisten Beobachter hatte das Gericht während der fünftägigen Anhörung jedoch insgesamt härtere Fragen an die EU-Kommission als an Microsoft gestellt. Anwälte, die mit dem Fall vertraut sind, sagten allerdings, dies könne nicht als Tendenz interpretiert werden. Der Chef der Microsoft-Anwälte, Brad Smith, sagte auf die Frage, welche Chance er dem Einspruch des Konzerns gegen die Kartellstrafe einräumt: "Das ist nicht zu sagen."

Die EU hatte zuvor ihren Vorwurf bekräftigt, der Hersteller des Betriebssystems Windows, das auf 95 Prozent der PCs weltweit läuft, habe seine beherrschende Stellung auf dem Markt widerrechtlich abgesichert. Der Konzern habe seinen Konkurrenten nicht genügend technische Informationen über Windows zur Verfügung gestellt, argumentierte der Anwalt der EU-Kommission, Anthony Whelan nochmals zum Abschluss der Anhörung. Zudem habe das Unternehmen wiederholte Anfragen der Konkurrenz zu solchen Informationen abgelehnt. Der EU-Kommission zufolge konnten einige Programme anderer Softwarehersteller auf Windows daher nicht so reibungslos laufen, wie Microsofts eigene Programme.

Microsoft hält dagegen der EU-Exekutive vor, sie wolle mit den 2004 verhängten Sanktionen das gesetzlich geschützte geistige Eigentum des Unternehmens gefährden. Die Kommission verlange von dem Unternehmen, auf Dauer alle seine Patente und andere Informationen offen zu legen, betonte Microsofts Anwalt Ian Forrester. Das Unternehmen hat nach eigener Einschätzung der Konkurrenz ausreichend Informationen bereitgestellt. Mehr sei nicht möglich, da sonst jahrelang erworbenes und hart erarbeitetes Wissen über Innovationen weitergegeben werden müsste. Letztlich verletze dies die Rechte an Microsofts geistigem Eigentum.

Microsoft verlangte vor dem EU-Gericht Erster Instanz in Luxemburg die Aufhebung oder zumindest eine erhebliche Reduzierung der Strafe. Sie sei für die angeblichen Vorwürfe falsch angesetzt, sagten die Anwälte.

Der Rechtsstreit zwischen der Kommission und Microsoft hat sich auch am Media Player des Unternehmens festgemacht. Microsoft bietet Windows im Paket mit dem Programm zum Abspielen von Musik und Filmen an. Die EU-Kommission argumentiert, dass durch diese Verknüpfung konkurrierende Angebote wie etwa der Real Player von RealNetworks aus dem Markt gedrängt würden. Microsoft hält dagegen, dass zum einen andere Programme zum Abspielen von Musik und Filmen frei erhältlich seien. Zum anderen sei es für die Verbraucher angenehm und hilfreich, zusammen mit Windows auch den Media Player zu bekommen.

Quelle: ntv.de

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