Galileo und kein Ende EU nimmt neuen Anlauf
23.11.2007, 13:15 UhrMit einem Vorschlag zugunsten Deutschlands will die EU-Kommission das Satelliten-Navigationssystem Galileo retten. EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot regte in Brüssel an, die Auftragsvergabe für das wichtigste europäische Technologieprojekt so aufzuteilen, dass die deutsche Industrie ausreichend zum Zuge kommen könnte. Die Bundesregierung begrüßte den Plan. Knackpunkt bleibt allerdings die Finanzierung. Barrot erklärte, sollte es bis Jahresende hier keinen Kompromiss geben, wäre dies das Ende von Galileo.
Der EU-Kommissar will den Angaben zufolge den Aufbau des Navigationssystems in sechs Einzelsegmente aufteilen. Kein Unternehmen könnte der Hauptauftragnehmer von mehr als zwei Bereichen werden, erklärte ein Sprecher Barrots. Das Berliner Verkehrsministerium äußerte sich zufrieden. "Wenn das so kommt und die Finanzierung sichergestellt wäre, wäre das ein ganz entscheidendes Plus für die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie", betonte ein Sprecher. Der Vorschlag sichere Wettbewerb in Europa, ermögliche aber auch eine ausreichende Beteiligung der heimischen Industrie. Die Bundesregierung hatte eine Einigung bislang blockiert, da sie befürchtete, dass deutsche Unternehmen nur marginal beteiligt würden.
Der Kommissionssprecher berichtete, bisher sei keines der 27 EU-Länder gegen Barrots neuen Ansatz. Ein Kompromiss über die Auftragsvergabe könne helfen, den Streit um die Finanzierung zu lösen. Die Bundesregierung ist gegen den Plan der Kommission, die benötigten 2,4 Mrd. Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt aufzubringen. Ein Sprecher des Finanzministeriums bekräftigte: "Wir bleiben bei unserer Position." Die Finanzierung dürfe nicht zu Mehrbelastungen im EU-Etat führen. Über das Thema berieten die Finanzminister am Freitag in Brüssel. Diplomaten zufolge zeichnet sich auch hier Bewegung ab.
Galileo soll dem militärischen US-System GPS Konkurrenz machen und mit 30 Satelliten im All neue Navigationsdienste für Verkehr und Landwirtschaft ermöglichen. Die Entwicklungsphase läuft seit fast drei Jahren. Ursprünglich sollte Galileo bereits im kommenden Jahr bereit stehen. Inzwischen ist der Starttermin um fünf Jahre auf Mitte 2013 verschoben. Der Aufbau des Systems hat schon begonnen, doch die öffentlich-private Finanzierung über ein Firmenkonsortium war im Frühjahr gescheitert, weshalb Galileo mit staatlichen Geldern bezahlt werden soll.
Barrots Plan sieht als die zwei größten Segmente den Bau der Satelliten und der Bodenstationen vor. Von deutscher Seite herrscht vor allem Sorge darüber, dass die deutsche EADS-Tochter Astrium bei den Aufträgen für Satelliten vom französischen Konkurrenten Alcatel-Alcania ausgestochen werden könnte.
Keine Extra-Finanzierungswünsche
Die Bundesregierung lehnt als größter Nettozahler der EU das vorgeschlagene Finanzierungskonzept ab, weil nach ihrer Ansicht damit die mühsam ausgehandelte finanzielle Vorausschau für die Jahre 2007 bis 2013 schon nach dem ersten Jahr geändert würde. Die Kommission wollte ungenutzte Mittel aus dem Agrar- und dem Forschungshaushalt verwenden, die normalerweise wieder an die EU-Mitgliedstaaten zurückfließen würden. Die deutschen Finanzpolitiker argumentieren, das sei frisches Geld und keine Einsparung. Dies schaffe nur einen Präzedenzfall.
Hinter den Kulissen wird nun an einer Erklärung gearbeitet, dass für die Finanzierung von Galileo eine Ausnahme gemacht werden und das Europäische Parlament künftig keine Sonderfinanzierungen fordern solle. Ein Nein Deutschlands könnte auch die Verabschiedung des EU-Haushalts 2008 verzögern, in dem die portugiesische Ratspräsidentschaft Mittel für Galileo festlegen will.
Über Galileo müssten die Verkehrsminister endgültig entscheiden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreich Präsident Nicolas Sarkozy hatten ihre Fachminister aufgefordert, bis zum nächsten Treffen am 29. November eine Lösung zu finden. Andernfalls wird Galileo Chefsache auf dem EU-Gipfel am 14. Dezember - dort wäre kein Beschluss gegen den Willen Deutschlands möglich.
Quelle: ntv.de