Griechenland, das Schwarze Loch EU steckt im Bündnisfall
17.02.2010, 12:13 Uhr
Von Griechenland-Euphorie kann zurzeit keine Rede sein.
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Griechenland erschleicht sich mit Hilfe von Investment-Bankern den Euro. Nun muss die EU die Suppe auslöffeln. Allerdings hat das Bündnis schon beim Kochen zugesehen.
Die Empörung durch den Fall Griechenland ist groß. Und das sicherlich auch zurecht. Da hat sich ein Staat, offenkundig mit Unterstützung einer großen us-amerikanischen Investmentbank, unter Vorgabe falscher Zahlen die Mitgliedschaft in der europäischen Gemeinschaftswährung geradezu erschlichen. Ein Affront gegen die Stabilitätskriterien, sicher. Aber auch (noch) kein Drama. Die Gemeinschaft hat den Bündnisfall für den Euro ausgerufen. Und das ist gut so.
"Das sind Krokodilstränen", sagt Sven Giegold, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament. "Jeder wusste, dass der griechische Staat am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht." In der Tat ist es seit Jahren ein offenes Geheimnis in Brüssel, dass die Griechen bei ihrer Aufnahme in die Euro-Zone nicht mit den wirklichen Zahlen ihre Bewerbung antraten. Die Schuldengrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts war für die Griechen, damals wie heute, nicht zu erreichen. Aber erst die Wirtschaftskrise hat die Situation im Land eskalieren lassen und die Wahrheit ans Tageslicht gebracht.
Investmentbanken spielen Ping Pong
"Wir in Europa haben natürlich geschlafen", glaubt auch der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Gerke angesichts des nun implodierenden Lügengebildes. "Wir haben zu lange zugesehen, wie Griechenland letzten Endes nicht die Reife für den Stabilitätspakt gezeigt hat." Die Quittung hat die Währungsgemeinschaft jetzt auf dem Tisch. Über die Bande Griechenland spielen Investmentbanken Ping Pong mit der Gemeinschaftswährung. Und die Länder der Euro-Zone stehen in der Ecke und haben eigentlich keine Wahl. Sie müssen den Griechen helfen. Fraglich ist nur wie.
Olympiakos Piräus gegen Panathanaikos Athen: Ausnahmezustand.
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Mit harten Zwangsmaßnahmen und strenger Aufsicht will die EU jetzt die Griechen das Sparen lehren. Das wird ein harter Prozess für die Hellenen, die zudem harte Konflikte im Inland auszutragen haben. Ein Blick auf den Fußball zeigt, wie tief es in der griechischen Volksseele brodelt. Wenn Olympiakos Piräus und Panathanaikos Athen zum Derby antreten, dann steht die griechische Hauptstadt für Tage still. Das gilt nicht nur für den Fußball. Beim Zusammentreffen der beiden Frauenvolleyball-Teams gab es 2007 einen Toten. Nicht umsonst heißt das Duell die "Mutter aller Schlachten".
Griechenland im Ausnahmezustand
Diese steht jetzt auch um den griechischen Haushalt an. Der EU-Finanzministerrat hat ein ehrgeiziges Sparprogramm und eine strikte Überwachung des Staatshaushaltes beschlossen, um die Finanzen im südöstlichen Mitgliedsland wieder in den Griff zu bekommen. Bis März soll das Defizit um vier Prozentpunkte gedrückt werden. Falls das nicht gelingen sollte, stellt die EU weitere Maßnahmen in Aussicht. Ein ehrgeiziges Ziel. Nur eine deutliche Erhöhung der Mehrwertsteuer kann den griechischen Staat bis dahin wohl handlungsfähig halten. Doch das dürfte auf heftigen Widerstand stoßen.
Einen kleinen Vorgeschmack auf die bevorstehenden Proteste gab es bereits Anfang Februar, als die griechischen Staatsbediensteten, nicht zum ersten Mal, in den Ausstand traten. Sie legten das ganze Land lahm. Für einen Tag musste der gesamte Flugverkehr ausgesetzt werden. Keiner Regierung der letzten Jahrzehnte ist es gelungen, gegen den öffentlichen Dienst dringend notwendige Sparmaßnahmen durchzusetzen. Das ist aber angesagt, denn diese Ausgaben fressen den Haushalt auf. Ob es die EU jetzt schafft, den Griechen Haushaltsdisziplin beizubringen, bleibt abzuwarten. Die Reaktion der Straße wird die Regierung Papandreou vor eine Zereißprobe stellen.
Unmoralische Investmentbanken
Dennoch sollte das Beispiel Griechenland die europäische Gemeinschaftswährung nicht aus dem Gleichgewicht bringen können. Gerade einmal 2,5 Prozent tragen die Griechen zum europäischen Bruttosozialprodukt bei. Das sollte der Euro locker wegstecken können. Zumal das Land grundsätzlich auf Solidarität der europäischen Nachbarn zählen kann. "Wir müssen enger zusammenrücken", ist Sven Giegold überzeugt. "Eine gemeinsame Währung kann ohne eine starke politische Kooperation nicht funktionieren", sagt der Europaabgeordnete. Zumal den Griechen sonstige Auswege verbaut sind. Wegen der Hochstufung Griechenlands durch Ratingagenturen sind Kredit für das Land unbezahlbar geworden. Und durch den Euro ist auch eine Abwertung der Währung, sonst eine gängige Maßnahme für eine Haushaltskonsolidierung, versperrt.
Schwieriger sind das schon die Lehren, die aus dem Fall Griechenland zu ziehen sind. Die Rolle der Investmentbank Goldman Sachs ist dabei nur ein Beispiel, wie große Geldhäuser mit der Verzweiflung von Regierungen glänzende Geschäfte machen. "Dieses Verhalten ist extrem unmoralisch", glaubt Bankenexperte Gerke. "Man legt den Zündstoff für neue Finanzkrisen, an denen man dann womöglich auch noch selber verdient." Deshalb rät der Wirtschaftswissenschaftler auch zu einem Verbot solcher Beratungstätigkeiten von Banken. Das kurzfristige Gewinnstreben einzelner Banken dürfe nicht die Haushaltsbilanz ganzer Länder bestimmen.
Hilflose Statistikbehörden
Klar ist auf jeden Fall, dass der Absturz Griechenlands systemische Schwächen des Euro aufgezeigt hat. Zwar gibt es auch in den USA oder China ein starkes wirtschaftliches Gefälle innerhalb des Staates. Doch dort wird unter einem Dach agiert. Anders in Europa, wo immer noch ein harter Konkurrenzkampf untereinander das wirtschaftliche Handeln bestimmt. Das trimmt die Mitgliedsstaaten zwar auf Leistungsfähigkeit, lässt es aber auch zu, dass sie leicht gegeneinander ausgespielt werden können.
Damit die Politik gemeinschaftlicher handeln kann, braucht sie aber auch eine verlässliche gemeinsame Basis. Die Statistikbehörden der Mitgliedsstaaten und der EU müssen mehr Kompetenzen bekommen und unabhängiger von der Politik werden. Sonst geht die Schönfärberei weiter. Auch in Deutschland, wo die Vertuschung von Schulden ebenso lange Tradition hat wie in Griechenland. Nur kann es sich ein wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland länger leisten, die massive Verschuldung in den Bilanzen zu verstecken. Doch auch hierzulande könnte der Bumerang irgendwann zurückkommen. Und das wäre dann wirklich eine Bedrohung für den Euro und die EU als Ganzes.
Quelle: ntv.de