Kampf gegen Rezession EZB senkt Leitzins
15.01.2009, 16:11 UhrDie Europäische Zentralbank (EZB) hat den durch sinkende Preise entstandenen Spielraum genutzt und den Leitzins im Kampf gegen die Rezession um einen weiteren halben Prozentpunkt auf 2,0 Prozent gesenkt. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet deutete zugleich für kommenden Monat eine Zinspause an. Er stimme mit den anderen Mitgliedern des EZB-Rats überein, dass das nächste wichtige Treffen im März stattfinden werde, wenn neue Wirtschafsdaten und Prognosen der Volkswirte der EZB vorlägen, sagte Trichet am Donnerstag in Frankfurt
Nach der ersten Sitzung des mit dem Beitritt der Slowakei nun 22 Mitglieder starken Gremiums im neuen Jahr begründete Trichet die neuerliche Zinssenkung mit dem nachlassenden Teuerungsdruck, der der Notenbank Spielraum für einen weiteren Schritt im Kampf gegen den Konjunktureinbruch gegeben habe. "Die heutige Entscheidung berücksichtigt vor allem das weitere Nachlassen des Inflationsdrucks vor allem wegen der schwächeren konjunkturellen Aussichten."
Kredite verbilligen sich
Mit der Zinssenkung stemmten sich die Notenbanker gegen die immer stärker um sich greifende Rezession in der Euro-Zone. Durch sinkende Zinsen verbilligen sich Kredite für Unternehmen und Haushalte. Trichet warnte vor diesem Hintergrund aber davor, die Geldschleusen zu weit zu öffnen. Die EZB wolle eine "Liquiditätsfalle" unbedingt vermeiden.
Die Währungshüter hatten den Leitzins zuletzt für ihre Verhältnisse ungewöhnlich schnell zurückgenommen, alleine im Dezember um 75 Basispunkte - so stark wie noch nie in der zehnjährigen Geschichte der EZB. Tiefer als bei den nun erreichten zwei Prozent stand der Leitzins in der Euro-Zone noch nie.
Weitere Turbulenzen erwartet
Für die kommenden Monate malte Trichet aber weiter ein düsteres Bild. In den nächsten Quartalen sei mit einer anhaltenden globalen Wirtschaftsschwäche zu rechnen, sagte der EZB-Chef. Auch weitere Turbulenzen an den Finanzmärkten seien möglich. Die Inflation werde zunächst niedrig bleiben, ab der Jahresmitte könnte die Teuerung aber wieder zulegen - nachdem sie zuvor sehr niedrige Niveaus erreicht haben dürfte. Eine durch die Krise der Banken ausgelöste Kreditklemme kann Trichet zwar weiter nicht erkennen, allerdings würden schärfere Kreditkonditionen die Unternehmen belasten.
Trichet machte jedoch klar, dass die Realität der Rezession sogar die hauseigenen Prognosen der EZB-Volkswirte längst überholt habe. Er rechne in der Zukunft mit einer deutlicheren Abschwächung der Konjunktur als noch vor wenigen Wochen angenommen. "Es gibt weitere klare Hinweise, dass die Euro-Zone einen deutlichen Abschwung durchmacht, der vor allem auf die Folgen der Intensivierung (...) der Finanzmarktturbulenzen zurückgeht. Die Risiken für das Wachstum deuten klar nach unten."
"Industrie im freien Fall"
Experten rechnen wegen der weltweiten Rezession ungeachtet der möglichen Zinspause im Februar mit weiteren Zinssenkungen in den kommenden Monaten. "Die Industrie befindet sich im freien Fall", sagte Ben May, Volkswirt von Capital Economics. "Wir erwarten deshalb, dass der Leitzins auf null oder zumindest nahe Null sinkt."
Kritik an der EZB-Politik kam vom Bundesverband Öffentlicher Banken (VÖB). "Die schlechten Wachstumsaussichten für das laufende Jahr hätten eine noch deutlichere Zinssenkung gerechtfertigt." Die EZB-Zinspolitik sei im Vergleich zur US-Notenbank Federal Reserve "viel defensiver ausgerichtet". Der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) erwartet weitere Zinssenkungen. Der außerordentlich scharfe konjunkturelle Abschwung erfordere dies, hieß es zur Begründung.
Quelle: ntv.de