"Zu viel Geld im Markt" Erst Krise, dann Inflation
11.04.2009, 10:28 UhrBundesfinanzminister Peer Steinbrück hat vor einer weltweiten Inflation nach dem Ende der Finanz- und Wirtschaftskrise gewarnt. Es bestehe die Gefahr, "dass wir weltweit mit den enormen schuldenfinanzierten Gegenmaßnahmen die nächste Krise auf den Weg bringen", sagte Steinbrück der "Bild"-Zeitung. Die Staaten pumpten mit ihren enormen schuldenfinanzierten Gegenmaßnahmen so viel Geld in den Markt, dass die Gefahr einer Überlastung der Kapitalmärkte und einer weltweiten Inflation drohen könnte.
Kurzfristig gebe es zwar kein Inflationsproblem, mittelfristig "müssen wir uns aber darum kümmern, wie wir die Milliarden an Liquidität wieder aus der Welt bekommen, die wir jetzt in die Wirtschaft pumpen", sagte der SPD-Politiker der Zeitung. Das werde eine besondere Herausforderung für alle Zentralbanken also auch für die Europäische, die dann für Geldwertstabilität sorgen müsse wie früher die Bundesbank. Jetzt gebe es aber keine vernünftige Alternative zu klugen Investitionsprogrammen, sagte der Finanzminister weiter.
Das Thema Inflation sorgt im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zunehmend für Nervosität. Wenn das Geld seinen Wert verliert, kann das dramatische Folgen haben. Wer weiß, dass sein Geld morgen nichts mehr wert ist, geschweige denn Gewinne abwirft, investiert nicht mehr. Der Verbraucher reagiert ähnlich: größere Anschaffungen sind nicht mehr möglich, weil das ganze Geld fürs tägliche Leben benötigt wird. Ökonomen sprechen hier von Kaufkraftverlust.
IW: Keine Hyperinflation
Der Steuer- und Finanzexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Ralph Brügelmann, nannte im Deutschlandradio Kultur die Sorge vieler Bürger vor einer Inflation "nicht ganz unberechtigt". Eine Hyperinflation drohe jedoch nicht, sagte der Experte. Dabei handelt es sich um eine unkontrollierbare Inflation mit extrem steigendem Preisniveau.
Man "muss berücksichtigen: die Notenbanken pumpen zwar sehr, sehr viel Geld in die Märkte, sie gleichen damit aber nur die verschwundenen Summen aus, die einfach dadurch aus dem Markt herausgenommen wurden, dass die Banken sich untereinander keine Gelder mehr leihen", sagte Brügelmann. Sobald die Werte für Immobilien und Aktienkurse wieder steigen und die Banken sich gegenseitig wieder Geld leihen, müssten "die Notenbanken peu peu das jetzt in den Kreislauf gebrachte Geld wieder herausziehen", sagte der Experte des arbeitgebernahen IW.
Streit um Konjunkturpaket III
Steinbr ück wandte sich in diesem Zusammenhang auch wieder entschieden gegen den Ruf nach einem dritten Konjunkturprogramm. Diesen "ständigen Überbietungswettbewerb" lehne er ab, sagte der SPD-Politiker und fügte hinzu: "Wir sollten abwarten, welche Kraft unsere bereits beschlossenen Maßnahmen entfalten und nicht schon wieder zappelig werden."
Steinbrück beruft sich indirekt auf die Tatsache, dass die Krise in Deutschland längst noch nicht so heftig beim Binnenkonsum und in der Jobstatistik zugeschlagen hat, wie befürchtet. Experten sprechen allenfalls von kleineren Schockwellen. Viele raten dazu, "Pulver" für noch schlechtere Zeiten trocken zu halten. Tatsächlich verkünden die Wirtschaftsindikatoren von OECD, IWF und den Wirtschaftsinstituten noch düsterere Zeiten.
Unterst ützung bekam Steinbrück in diesem Punkt von Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser. Er sagte der Zeitung: "Was die Regierung bisher getan hat, kann sich sehen lassen. Es darf aber keine weiteren Konjunkturpakete geben. Das restliche Pulver muss trocken gehalten werden, um beispielsweise Entlassungen im Herbst sozial abzufedern."
Verdi fordert mehr Investitionen
Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, forderte dagegen weitere öffentliche Investitionen im Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Es sei nicht auszuschließen, dass die Wirtschaft so stark schrumpfe wie zuletzt 1931/32, schrieb er in einem Beitrag für die "Sächsische Zeitung". "Gemessen daran reichen die bisherigen Konjunkturpakete nicht aus. Als das zweite geschnürt wurde, ging die Regierung von einer Prognose aus, die mittlerweile überholt ist." Damit die Krise eingedämmt und eine schwere Depression verhindert werden könne, "brauchen wir deutlich mehr öffentliche Investitionen". "Das kostet Geld und wird kurzfristig zu neuen Schulden führen. Aber wer jetzt knausert, wird später einen wesentlich höheren Preis zahlen müssen."
Druck aus den USA
Die Verbündeten in Übersee gehen bei der Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise trotz aller Warnungen furchtloser und entschiedener vor. Die US-Notenbank Fed sorgte im vergangenen Monat mit der Nachricht, eine Billionen Dollar zusätzlich in die Märkte pumpen zu wollen, für einen Paukenschlag. Die USA schmeißen ebenso wie Japan und Großbritannien die Notenpresse an, produzieren einfach mehr Dollars und riskieren damit Inflation. Das tun sie, weil sie davon ausgehen, dass das Geld in dem Umfang letztlich nicht in Umlauf kommt. Die Europäische Zentralbank (EZB) will nicht darauf vertrauen und geht anders vor. Sie ist ihrer Maxime für Geldwertstabilität zu sorgen bislang treu geblieben. Aber der Druck auf den Zug aufzuspringen wächst.
"Abwrackprämie wirkt sehr gut"
Steinbrück verteidigte im Interview dagegen nachdrücklich die Aufstockung der staatlichen Ausgaben für die Abwrackprämie auf fünf Milliarden Euro. Die Prämie wirke sehr gut und sorge für eine spürbare Stabilisierung einer der wichtigsten Leitindustrien: "Wegen der Prämie hat die deutsche Autoindustrie bisher keinen solchen Absturz erlebt wie in den USA."
Quelle: ntv.de, mit dpa, afp und reuters