Kein Streik bis Montag GDL beugt sich Gerichten
08.08.2007, 15:28 UhrDer für Donnerstag geplante bundesweite Lokführerstreik bei der Bahn ist vom Tisch. Im Güter- und Fernverkehr wird es bis einschließlich Sonntag keine Streiks geben. Wie die Lokführergewerkschaft GDL mitteilte, werde sie selbst dann von möglichen Streiks in diesen beiden Bereichen absehen, wenn sie am Freitag im Widerspruchsverfahren gegen das Streikverbot Recht bekommen werde. Fahrgäste und Wirtschaft können aber noch nicht endgültig aufatmen, denn die Lokführer wollen etwaige Arbeitsniederlegungen künftig nicht mehr ankündigen.
Das Arbeitsgericht Nürnberg, das am Mittwoch auf Antrag der Bahn eine einstweilige Verfügung gegen den ab Donnerstag geplanten Streik erlassen hatte, entscheidet am Freitag über den Widerspruch der GDL. Das Streikverbot gilt längstens bis 30. September, sofern die Einstweilige Verfügung nicht in der Berufung aufgehoben wird, wie ein Sprecher des Nürnberger Gerichts sagte.
Sollte das Gericht das Verbot bestätigen, will die GDL umgehend in Berufung vor das Landesarbeitsgericht gehen. Im Regionalverkehr wäre ein Streik mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen und einiger Nebenstrecken erlaubt. Bei der GDL gab es aber keine entsprechende Planung.
Neue Taktik
Von der einstweiligen Verfügung ist die GDL nach eigenen Angaben überrascht worden. Die Bahn habe in Gesprächen den Antrag bei Gericht nicht erwähnt, hieß es. "Wir sehen das Gebot der gegenseitigen Fairness verletzt", sagte Schell. Als Reaktion auf die einstweilige Verfügung will die GDL künftige Streikmaßnahmen nicht mehr vorher ankündigen. Bevor der Streikaufruf an die Mitglieder herausgehe, werde die Bahn nicht mehr über geplante Streiks unterrichtet.
Für einen Ausstand im Regionalverkehr der Bahn, der bislang nur in einzelnen Bundesländern verboten ist, brauche die GDL etwa zwölf Stunden Vorlauf. Derzeit sei aber nichts in dieser Richtung geplant, es drohten auch keine "Blitzstreiks". Für Bahnkunden im Personenverkehr gebe es "erstmal Entwarnung", versicherte Schell.
Prozessflut oder Verhandeln
Die GDL hält das vom Nürnberger Arbeitsgericht verhängte Streikverbot für verfassungswidrig. "Für uns ist nicht vorstellbar, dass ein deutsches Gericht einer Gewerkschaft das grundgesetzliche Recht zu Arbeitskämpfen versagt. Das sehen wir nicht ein", sagte Schell. Zudem sei es "lächerlich", dass das Gericht bei seinem Streikverbot im Güterverkehr mit der Hauptreisezeit argumentiert habe. Die GDL erwarte, dass ihr Widerspruch in Nürnberg mit der gleichen Eile behandelt werde wie der Antrag der Bahn. "Wir sind guter Hoffnung, dass das Recht die Oberhand behält." Da bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aber mehrere Monate vergehen würden, werde die GDL das Gericht vorerst nicht anrufen. "Das hieße zwei bis drei Monate Stillstand", sagte Schell.
Der Deutschen Bahn warf Schell "Prozesshanselei" vor. Er forderte den Konzern zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf: "Macht die Tür auf zu Verhandlungen." Schell bestätigte, dass es zwischen den zerstrittenen Tarifparteien erste Gespräche darüber gab, wer als Moderator vermitteln könnte. "Eine Form von Bewegung kann nur sein, wenn wir einen Dritten ins Boot holen und richtig verhandeln." Es reiche ein Vermittler, wenn eine unparteiische Persönlichkeit gefunden werde. Der Gewerkschaftschef betonte: "Unumstößlich ist für uns die Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag." Über die Forderung von 31 Prozent mehr Geld und kürzeren Arbeitszeiten für das Fahrpersonal könne man reden.
Schlichter gesucht
Die Deutsche Bahn drängt derweil auf die rasche Bestellung eines Vermittlers im Streit mit der Gewerkschaft GDL. "Man könnte heute einen Mediator bekommen und sich morgen an den Tisch setzen", sagte Personalvorstand Margret Suckale. Die Bahn habe bereits zwei Kandidaten für den Posten in petto, wolle ihre Namen aber noch nicht nennen. Möglich wäre auch, zwei Mediatoren zu bestellen - für jede Seite einen, sagte Suckale. Wichtig sei, dass die GDL an den Verhandlungstisch zurückkehre.
Suckale forderte die Lokführergewerkschaft auf, das letzte Angebot des Konzerns erneut zu überdenken und sich an den Verhandlungen über eine neue Entgeltstruktur zu beteiligen. Im Falle einer Einigung seien spezielle Arbeitszeit- und Aufstiegsregelungen für Lokführer denkbar. Ein Übertrumpfen der mit den anderen Gewerkschaften ausgehandelten Einkommenserhöhung von 4,5 Prozent komme aber nicht in Frage. Verhandlungsführer Werner Bayreuther wertete den Gerichtsentscheid als Sieg für die Kunden. "Wir begrüßen, dass die Gerichte im Interesse der Kunden die Streiks gestoppt haben", sagte er.
Zur am Vortag ins Gespräch gebrachten Einsetzung eines Vermittlers liefen am Mittwoch nach Angaben der Gewerkschaft noch keine Sondierungsgespräche zwischen Bahn und GDL.
Bund will Frieden zwischen den Streithähnen
Die Bundesregierung mahnte die Tarifparteien, das Streikverbot als Denkpause zu nutzen und zu einer Verständigung zu kommen. Wirtschaftsminister Michael Glos sprach von einem Damoklesschwert, das weiter das Wachstum der deutschen Wirtschaft bedrohe.
Umweltminister Sigmar Gabriel stellte sich als erstes Regierungsmitglied hinter die Tarifforderung der GDL. "Es ist nicht korrekt, wenn so ein Lokführer, der wirklich viel Verantwortung trägt, 1.500 Euro netto bekommt", sagte er dem "Stern". Die Bahn widerspricht dieser Gehaltsangabe der GDL und beziffert das Einkommen mit Zulagen auf 2.100 Euro netto.
Quelle: ntv.de