Streiks ab Donnerstag? GDL lässt Bahn warten
16.10.2007, 10:54 UhrDie Lokführergewerkschaft GDL will sich nach derzeitigem Stand nicht wie ursprünglich geplant am Mittwoch mit der Bahn treffen. "Es wird kein Treffen geben, so wie es im Moment aussieht", sagte der stellvertretende GDL-Chef Günther Kinscher. Die Bahn hatte zuvor betont, sie stehe für Tarif-Verhandlungen bereit. Reine Gespräche, wie von der GDL vorgeschlagen, lehnte Bahn-Personalvorstand Margret Suckale aber ab. Bei förmlichen Verhandlungen gilt die Friedenspflicht, die GDL könnte also nicht streiken.
Die GDL wird am Mittwoch über ihre weitere Strategie beraten. "Wir werden das bis morgen Mittag tun und werden nachmittags bekannt geben, ob wir zu den Verhandlungen bei der Bahn antreten und wie unsere weitere Vorgehensweise ist", sagte GDL-Vize Claus Weselsky bei n-tv.
Eine Sprecherin ergänzte, die 250 Seiten starke Langfassung des am Montag unterbreiteten Angebots werde noch geprüft. Die Kurzfassung sei völlig inakzeptabel gewesen. Sollte sich aber herausstellen, dass auf Grundlage der Langfassung Verhandlungen aufgenommen werden könnten, werde die GDL dies umgehend anstreben. Sollte dies nicht der Fall sein, werde gestreikt.
Die Bahn hatte der GDL am Montag ein neues Tarifangebot vorgelegt. Der Konzern bietet nach eigenen Angaben zusätzlich zum bisherigen Angebot eine Einmalzahlung von 2.000 Euro für bereits in diesem Jahr geleistete Mehrarbeit an. Außerdem sprach das Unternehmen von einem eigenen Tarifvertrag. Die GDL bewertete dies jedoch anders. Sie fordert einen eigenständigen Tarifvertrag.
Der Streit hat nach Ansicht der Arbeitsrechtlerin Heide Pfarr rein taktische Gründe. "Welche dieser Formulierungen man wählt, ist juristisch ohne Belang", sagte die Geschäftsführerin der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung der Nachrichtenagentur dpa. Die GDL ist nicht Mitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
Die beiden Begriffe seien im Tarifvertragsgesetz nicht "fest besetzt", sagte die Jura-Professorin. Die Vermutung liege nahe, dass das Bahn-Management und die Führung der Lokführer-Gewerkschaft (GDL) die Bezeichnungen aus taktischen Gründen unterschiedlich verwenden. "Die mangelnde Aufklärung darüber ist Absicht", sagte Pfarr.
"Mit dem Angebot eines "eigenen" Vertrags suggeriert Suckale, dass eine abschließende Einigung nur an der Sturköpfigkeit von GDL-Chef Schell scheitert", meinte die Arbeitsrechtlerin. Letztlich seien nicht die Lokführer, sondern die Bahn-Kunden die eigentliche Zielgruppe "dieser eigenartigen Politik". Oberstes Ziel von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn müsse es bleiben, die Tarifeinheit im Gesamtkonzern zu erhalten. "Darum hat er kein Interesse an einem Vertrag, den nur die GDL unterschreibt."
Dagegen komme es Schell mit seiner Forderung nach einem "eigenständigen" Vertragswerk offensichtlich darauf an, seine Klientel aus dem Tarifgefüge des Unternehmens herauszubrechen. Laut Pfarr ist es jedoch unwahrscheinlich, dass der Bahn-Vorstand der GDL ein separates Angebot macht, das ihre Mitglieder besser stellt als die Beschäftigten der Gewerkschaften Transnet und GDBA. "Darauf dürfte sich Mehdorn wohl kaum einlassen. Sonst würde ihm Transnet an den Hals gehen", vermutete die Rechtsprofessorin.
Quelle: ntv.de