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Eine Billion für Giftpapiere Geithner wird konkreter

Im Kampf gegen die schwerste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren will die US-Regierung mit einem Hilfsprogramm von bis zu einer Billion Dollar Banken von faulen Wertpapieren befreien. Dazu sollen private Investoren mit ins Boot geholt werden. Die Regierung will dieses öffentlich-private Ankaufprogramm zunächst mit 75 bis 100 Milliarden Dollar anschieben. So soll die stockende Kreditvergabe an Haushalte und Unternehmen wieder in Schwung kommen. Die Börsen reagierten am Montag weltweit mit kräftigen Kursgewinnen auf das lange erwartete Paket. Das Programm ist ein Eckpfeiler der Bemühungen von Präsident Barack Obama, die USA aus der Rezession zu führen.

Obama bezeichnete den Plan als entscheidend für die Erholung der US-Wirtschaft bezeichnet. Allerdings werde das Vorhaben die Kreditmärkte nicht über Nacht wieder in Gang bringen können, sagte er. Das Finanzsystem sei noch sehr zerbrechlich. "Wir haben noch einen langen Weg vor uns und viel Arbeit zu erledigen", sagte der Präsident nach Unterredungen mit Finanzminister Timothy Geithner und US-Notenbankchef Ben Bernanke.

Hoffen auf den Markt

Das Startkapital für das "Public-Private Investment Program" fließt aus dem 700 Milliarden Dollar schweren Rettungspaket für die Finanzbranche, das der Kongress noch unter der alten Regierung im Oktober verabschiedet hatte. Mit Hilfe privater Investoren sowie Kreditprogrammen der staatlichen Einlagensicherung FDIC und der Notenbank Fed sollen zunächst Schrottpapiere im Umfang von 500 Milliarden Dollar aufgekauft werden. Später soll das Programm auf bis zu eine Billion Dollar ausgeweitet werden.

Geithner hofft, auf diese Weise einen Markt für die im Zuge des Zusammenbruchs am US-Immobilienmarkt faktisch wertlos gewordenen Papiere zu schaffen, die Banken zu Milliardenabschreibungen gezwungen und einige in die Pleite getrieben haben. Von der Einbeziehung privater Investoren verspricht sich der Finanzminister das Risiko für den Steuerzahler so gering wie möglich zu halten. "Damit dieses Programm funktioniert, müssen die Investoren zu einigen Risiken bereit sein", sagte Geithner bei der Vorstellung der Pläne in Washington. Die Entlastung der Banken werde helfen, eine noch längere und noch tiefere Rezession zu verhindern. Zudem bekämen die Finanzinstitut wieder mehr Spielraum, ihr Kapital zu erhöhen und so den Kreditfluss wieder in Bewegung zu bringen.

Erstes Interesse

Ob das Programm die gewünschte Größenordnung erreicht und weitere Staatshilfen nötig werden, hängt vom Umfang der Beteiligung privater Investoren ab. Mit Blackrock und der Allianz-Tochter Pimco signalisierten bereits zwei der größten US-Finanzinvestoren Interesse. "Damit liegt wohl das erste Konzept mit einer Gewinnmöglichkeit für alle Beteiligten auf dem Tisch, und es sollte begeistert begrüßt werden", sagte Pimco-Fondsmanager Bill Gross.

Experten sehen eine zentrale Herausforderung darin, einen Preis für die faulen Vermögenswerte zu ermitteln. "Wenn sich die Regierung und die Banken einigen können, besteht eine ziemlich gute Chance, dass sich der Kreditmarkt wieder normalisiert", sagte Linus Yip, Anlagestratege bei First Shanghai Securities in Hongkong.

Um keine Interessenten zu verschrecken, will Geithner anders als bei anderen Staatshilfen für die Finanzbranche auf strenge Vergütungsauflagen bei den Fondsmanagern verzichten. Der Minister steht bereits wenige Woche nach Amtsantritt wegen des Skandals um hohe Bonus-Zahlungen beim nur mit Staatshilfe geretteten Versicherungsriesen AIG unter Druck.

Mehrere Bausteine

Ein wichtiger Teil des Programms ist die Gründung von öffentlich-privaten Fonds. Während die Regierung und die privaten Investoren die Abstoßfinanzierung leisten sollen, stehen die FDIC und die Notenbank Federal Reserve zur weiteren Kapitalvergabe bereit. Die FDIC stellt zum Aufkauf fauler Kredite zinsgünstige Darlehen bereit: Für jeden Dollar Eigenkapital können sechs Dollar aufgenommen werden.

Zum Aufkauf fauler Wertpapiere fließt das vergangene Woche auf eine Billion Dollar ausgeweitete Verbraucherkreditprogramm der Notenbank Fed ein. Dieses Talf-Programm soll künftig auch ältere Hypotheken-Papiere aufkaufen dürfen. Um Geld aufzutreiben, sollen zudem bis zu fünf Investmentmanager eingesetzt werden, deren Mittel die Regierung aufstocken will.

Krasser hätten die Märkte ihren Stimmungsumschwung kaum belegen können. Als US-Finanzminister Timothy Geithner vor wenigen Wochen erste Umrisse seines Generalplans im Kampf gegen die Finanzkrise zeichnete, stürzten die Börsen noch ins Bodenlose. Am Montag hingegen brannten sie dankbar ein Feuerwerk ab, als der zuletzt arg unter Druck geratene Chef der Treasury die mit Spannung erwarteten Details vorlegte. Doch unter Ökonomen fiel die Resonanz auf die neuerliche Billionen-Spritze im Kampf gegen die Misere allenfalls gemischt aus. Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman sprach sogar von "Finanz-Hokuspokus".

"Das wird den Banken erlauben, ihre Bilanzen aufzuräumen", gab sich Geithner zuversichtlich. Dass die Regierung dabei auch einen Teil des Risikos übernimmt, ist für ihn selbstverständlich. Allerdings räumt auch der Finanzminister ein, dass der Plan lediglich die beste Option sei, die Regierung und Notenbank unter einer begrenzten Zahl von Möglichkeiten offen gestanden habe.

Kritik von Krugmann

Nobelpreisträger und "New York Times"-Kolumnist Paul Krugman, sonst der Regierung von Barack Obama durchaus zugetan, hielt mit seinem Ärger kaum hinterm Berg, nachdem bereits am Wochenende viele Details des Programms bekanntgeworden waren. "Herr Obama hat sich offenbar auf einen Plan festgelegt, der im Grund voraussetzt, das die Banken fundamental gesund sind und die Banker wissen, was sie tun."

Von einer "Einbahnstraßen-Wette" spricht Krugman: Funktioniert der Plan, machen die Investoren Kasse. Falls nicht, können sie ihren Schulden dank Staatsgarantie den Rücken kehren. "Es geht hier nicht darum, Marktkräfte arbeiten zu lassen. Es ist lediglich ein indirekter, versteckter Weg, den Kauf von giftigen Vermögenswerten zu subventionieren", schreibt der renommierte Experte.

Nach wie vor favorisiert Krugman eine vorübergehende Verstaatlichung der Banken - für viele Amerikaner und vor allem für die konservative Wall Street allerdings eine Horrorvorstellung. Der Nobelpreisträger verweist indes auf das Beispiel Schwedens in den 90er Jahren, wo man dadurch einer Finanzkrise Herr wurde. In den 80er Jahre hätten die USA selbst inmitten einer Sparkassen-Krise zu dem Mittel gegriffen. "Es gibt keinen Grund, weshalb wir dasselbe jetzt nicht auch machen können", argumentiert er.

"Wir sind die Vereinigten Staaten von Amerika, nicht Schweden", gibt Geithner zurück - und demonstrierte gemeinsam mit dem Rest von Obamas Wirtschaftsteam erst einmal Zuversicht. Von einem "beträchtlichen" Investoren-Interesse berichtete Wirtschafts-Chefberater Larry Summers. Die Genugtuung über die positive Reaktion der Börsen verbarg er kaum. "Wir werden nicht panisch, wenn die Märkte nach unten gehen. Wir werden nicht euphorisch, wenn sie steigen", meinte er. Aber dankbar sei man schon.

Quelle: ntv.de

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