GDL ohne Illusion Großer Streik fast sicher
12.11.2007, 06:38 UhrBei der Deutschen Bahn drohen ab Mittwoch erstmals massive Streiks sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Laut Lokführer-Gewerkschaft GDL ist ein unbefristeter Ausstand momentan nicht geplant. Wenn aber gestreikt werde, dann in allen Verkehrsbereichen und nicht wie bisher auf einzelne Sparten beschränkt. Die Entscheidung darüber werde am Dienstag fallen.
Allerdings rechnet die GDL nicht mehr mit neuen Offerten der Bahn. "Wir haben zurzeit kein Angebot der Bahn, und wir erwarten wahrscheinlich auch für diesen restlichen Tag kein nennenswertes Angebot", sagte GDL-Vizechef Claus Weselsky bei n-tv. Offensichtlich habe der Druck mit dem am Samstag beendeten 42 Stunden langen Güterverkehr-Streik nicht ausgereicht.
Die Bahn bot der GDL erneut Gespräche an, um eine gemeinsame Interpretation des Moderationsergebnisses von Ende August zu finden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor beide Seiten zum Einlenken aufgefordert. "Mit dem Kopf durch die Wand wird nicht gehen, da siegt zum Schluss immer die Wand", sagte die CDU-Politikerin in einem Fernsehinterview. Alle Beteiligten müssten ihrer Verantwortung gerecht werden und aufeinander zugehen.
GDL-Bezirkschefs für härtere Gangart
Die Bahn solle noch Gelegenheit haben, "uns ein verbessertes Angebot vorzulegen", erklärte GDL-Chef Manfred Schell in Darmstadt. Lenke der Konzern nicht ein, seien ab Mittwoch Streiks im Güter- und Personenverkehr möglich. Die GDL fordert einen eigenständigen Tarifvertrag und deutliche Lohnsteigerungen. Mehrere Bezirksvorsitzende der GDL plädieren einem "Bild"-Bericht zufolge nun für unbefristete Streiks.
Das Unternehmen erklärte, es sei zu Gesprächen mit der GDL über die Auslegung des Moderationsergebnisses bereit. Daran sollten die zwei anderen Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA beteiligt werden, sagte ein Sprecher. Moderatoren waren die CDU-Politiker Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf. Über die Interpretation ihres Vorschlags hatten sich GDL und Bahn zerstritten, eine bis Ende September angepeilte Einigung scheiterte.
In der Vereinbarung hatte sich die Bahn bereit erklärt, über einen eigenständigen Tarifvertrag zu verhandeln, der Entgelt und Arbeitszeit der Lokführer regeln sollte. In parallelen Verhandlungen mit der GDL und der Tarifgemeinschaft aus Transnet und GDBA sollte versucht werden, "ein konflikt- und widerspruchsfreies Ergebnis zu erhalten". Die sonstigen Tarifbedingungen von GDL und der Tarifgemeinschaft sollten "inhalts- und wortgleich" zusammengefasst werden.
Angst vor unbefristetem Ausstand
Der Logistikverband BME geht davon aus, dass die Wirtschaft einen weiteren Ausstand von einigen Tagen im Güterverkehr verkraften dürfte. Ein unbefristeter Streik hätte dagegen erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft, warnte BME-Chef Jürgen Marquard. Nach einer Umfrage des Verbandes verfügt fast die Hälfte der von der Bahn belieferten Unternehmen über keine oder nur geringe Materialreserven. 22,6 Prozent hätten überhaupt keinen Puffer, weitere 25,8 Prozent hätten eine Sicherheitsreserve von einem Tag.
Trotz der Streiks wird die Bahn in diesem Jahr voraussichtlich mehr Güter transportieren als 2006. Das Statistische Bundesamt erklärte, der Vorjahreswert von 346,1 Millionen Tonnen dürfte überschritten werden.
Quelle: ntv.de