Kräftiges Lohnplus IG Metall legt sich fest
08.09.2008, 16:21 UhrDie IG Metall will trotz des Konjunkturabschwungs in der bevorstehenden Tarifrunde sieben bis acht Prozent höhere Einkommen fordern. "Dieser Forderungskorridor berücksichtigt die gesamtwirtschaftliche Lage und er berücksichtigt die Erwartungen der Arbeitnehmer", sagte IG-Metall-Chef Berthold Huber. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Damit liegt die vom Bundesvorstand von Deutschlands mächtigster Gewerkschaft am Montag beschlossene Empfehlung deutlich über den Vorstellungen der Arbeitgeber. Deren Verband Gesamtmetall hatte gewarnt, die hohe Inflation dürfe nicht Anlass sein, stärker an der Lohnschraube zu drehen. Die Forderungsempfehlung ist die höchste der IG Metall seit 16 Jahren.
Mehrere große IG-Metall-Bezirke hatten sich bereits im Vorfeld für Forderungen zwischen sieben und acht Prozent stark gemacht. Endgültig beschließen will die Gewerkschaft ihre Forderung am 23. September. Erste regionale Gespräche mit den Arbeitgebern sollen Anfang Oktober beginnen. Die sonst übliche Friedenspflicht entfällt. Mit Auslaufen der Tarifverträge für die 3,6 Millionen Beschäftigten der Schlüsselbranche Ende Oktober kann die IG Metall mit Warnstreiks ihrer Forderung Nachdruck verleihen. "Ab 1. November sind wir frei zu betrieblichen und überbetrieblichen Kampfaktionen", demonstrierte Gewerkschaftschef Huber Konfliktbereitschaft.
"Mehr Gerechtigkeit"
Die IG Metall begründet ihre Forderung damit, dass bei den Beschäftigten zu wenig vom zurückliegenden Aufschwung angekommen sei. Stattdessen seien Managergehälter und Vermögenseinkommen rasant gestiegen. "Es geht um mehr Gerechtigkeit, mehr Wachstum für mehr Beschäftigung", sagte Huber. Die Binnennachfrage müsse gestärkt werden, um die abflauende Weltkonjunktur "aufzufrischen". Mahnungen der Arbeitgeber vor einem "Desaster" für Betriebe und Belegschaften, falls die Gewerkschaft ihre Forderungen nicht an wirtschaftlichen Fakten sondern am Ungerechtigkeitsempfinden der Menschen orientiere, wies Huber als "ignorant" zurück. Gleichzeitig betonte Huber, Konjunkturprognosen seien derzeit äußerst unsicher. Niemand könne absehen, ob es zu der von Wirtschaftswissenschaftlern erwarteten Rezession komme.
Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser hat sich bereits für möglichst niedrige Lohn Lohnsteigerungen ausgesprochen, die wirtschaftliche Lage sei "riskanter und schlechter" als im vergangenen Jahr. Der Auftragseingang sei im Sommer so stark eingebrochen wie seit 20 Jahren nicht mehr. Alles, was über den Produktivitätsfortschritt hinaus verteilt werde, gefährde Arbeitsplätze. Auf Arbeitgeberseite wird ein Pauschalbetrag diskutiert, um die prozentuale Lohnsteigerung in Grenzen zu halten. Die IG Metall lehnt eine solche Einmalzahlung nicht grundsätzlich ab. Sie will aber eine möglichst hohe dauerhafte Erhöhung durchsetzen. Wegen der hohen Inflation von zuletzt deutlich über drei Prozent beobachtet die Europäische Zentralbank die Tarifverhandlungen mit Argusaugen. Die Währungshüter befürchten eine Lohn-Preis-Spirale.
Einen wichtigen Stolperstein für eine Einigung haben Arbeitgeber und Gewerkschaft bereits vor der Tarifrunde beiseite geräumt. Im traditionellen Pilotbezirk Baden-Württemberg vereinbarten sie eine Neuregelung für den 2009 auslaufenden Vorruhestand, die auf alle Tarifbezirke übertragen werden soll.
Im vergangenen Jahr hatte die IG Metall 6,5 Prozent höhere Löhne gefordert und am Ende Erhöhungen in zwei Stufen vereinbart. Von Juni an erhöhten sich die Löhne und Gehälter der 3,6 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie zunächst um 4,1 Prozent. Zwölf Monate später - zur Mitte dieses Jahres stiegen die Löhne in einer nächsten Stufe um weitere 1,7 Prozent.
Quelle: ntv.de