Inselstaat am Abgrund Island in großer Not
07.10.2008, 17:13 UhrIsland ist in der internationalen Finanzkrise an den Rand des Ruins geschlittert. Um den kompletten Einsturz des Finanzsystems zu verhindern, übernahm die Regierung in Reykjavik am Dienstag die Kontrolle über die am Abgrund stehenden Banken. Im verzweifelten Bemühen, den Sturzflug der Landeswährung Krone zu stoppen, verkündete die Nationalbank voreilig einen Kredit über vier Milliarden Euro aus Russland. Moskau dementierte zwar, dass ein Darlehen bereits gewährt worden sei, will die Anfrage aber prüfen.
"Es besteht eine sehr reelle Gefahr, dass die isländische Wirtschaft im schlimmsten Fall mit den Banken in einen Abwärtssog gerät und das Ergebnis ein Staatsbankrott sein könnte", mahnte Islands Ministerpräsident Geir Haarde.
Als entscheidende Ursache für die akute Krise auf der Nordatlantikinsel mit gut 300.000 Einwohnern gilt die extrem aggressive internationale Expansion der drei größten isländischen Banken. Deswegen hat bei ihnen nun die Regierung das Sagen. Sie kann Banken umgehend verstaatlichen, zu Fusionen zwingen, Spitzenmanager auswechseln und Grenzen für deren Entlohnung setzen.
Der Staat greift ein
Als ersten großen Schritt nahm Islands Finanzaufsicht danach die zweitgrößte Bank des Landes, Landsbanki, unter Kontrolle. Die Bank Kaupthing bekam einen Sofortkredit über 500 Mio. Euro. In der Vorwoche hatte die Regierung bereits für 600 Mio. Euro 75 Prozent der Anteile an der drittgrößten Bank Glitnir übernommen.
Vor allem Kaupthing hatte in Deutschland und anderen europäischen Ländern Kunden mit Hochzinskonten angelockt. In der Frankfurter Vertretung wollte ein Sprecher keine Angabe auf die Frage machen, inwieweit diese Einlagen gesichert sind.
Nach Auskunft der deutschen Finanzaufsichtssbehörde BaFin untersteht Kaputhing nicht ihrer Aufsicht, sondern der der isländischen Kontrollbehörden. Bei der Einlagensicherung gelte die isländische Regelung. Die Regierung in Reykjavik hatte am Montag ihre Garantie so erweitert, dass alle privaten Anleger in unbegrenzter Höhe gesichert sind.
Die Krone sackt ab
Nach einem dramatischen Kurssturz der Landeswährung Krone war die inländische Nationalbank mit der Ankündigung eines Kredits von vier Milliarden Euro aus Russland vorgeprescht. Ministerpräsident Wladimir Putin habe dem Darlehen bereits zugestimmt hieß es. Wenig später kam die kalte Dusche aus Moskau: Es sei kein Kredit zugesagt worden, es habe nicht einmal Verhandlungen gegeben, teilte das russische Finanzministerium mit. Später hieß es, man werde die isländische Anfrage "wohlwollend prüfen".
Russland spürt inzwischen zwar auch die Folgen der Finanzmarktkrise, sitzt dank der hohen Ölpreise aber auf riesigen Devisenreserven von 500 Mrd. Dollar.
Reichen die Mittel?
Die isländische Krone hat seit einer Woche gegenüber dem Euro mehr als ein Viertel ihres Wertes verloren. In den letzten zwölf Monaten ist der Kurs um mehr als 70 Prozent gesunken. Ob nationale staatliche Mittel ausreichen, um den gefährdeten Bankensektor zu stabilisieren, gilt als zweifelhaft.
Das Bilanzvolumen der drei führenden Banken ist zehnmal so groß wie das jährliche Bruttoinlandsprodukt. Als möglicher Ausweg werden in Reykjavik Mittel aus den nach internationalen Maßstäben sehr großen Pensionsfonds des Landes angesehen.
Mit einer Inflationsrate von fast 15 Prozent und Leitzinsen von 15,5 Prozent war Island schon vor Ausbruch der internationalen Finanzkrise stark angeschlagen.
Quelle: ntv.de