Ruhig Blut im Telekom-Skandal Keine Schnellschüsse
02.06.2008, 17:18 UhrDie Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom ist für die Bundesregierung und die führenden Branchenverbände vorerst kein Grund zu Gesetzesänderungen. Beide Seiten warnten am Montag vor Schnellschüssen. Bei einem Gespräch von Vertretern der Telekom und der Verbände im Innenministerium wurde verabredet, dass nach eingehender Prüfung Anfang Juli über mögliche rechtliche Schritte beraten werden solle. Was beim kurzem Vier-Augen-Gespräch zwischen Telekom-Chef Rene Obermann und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble besprochen wurde, blieb zunächst ein Geheimnis.
Ministerium und die Verbände Bitkom und VATM verständigten sich darauf, dass erstmal die Branche entscheiden solle, ob die von der Telekom gezogenen Konsequenzen übernommen werden sollten. Dabei handele es sich etwa um Änderungen bei Verfahrensabläufen, sagte Innen-Staatssekretär Hans-Bernhard Beus. In einem zweiten Schritt solle dann mit staatlichen Vertretern, etwa der Bundesnetzagentur, erörtert werden, ob gesetzliche, freiwillige oder gar keine Maßnahmen nötig seien.
"Telekom ein Einzelfall"
Die Telekom hat eingeräumt, dass zwischen 2005 und 2006 Telefondaten ausspioniert wurden, um die Veröffentlichung vertraulicher Informationen zu unterbinden. Nach der Runde im Innenministerium bekräftigte Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder, die bekannt gewordenen Eingriffe in den Datenschutz beim größten deutschen Telefonanbieter seien aus seiner Sicht ein Einzelfall. VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner erklärte, es werde immer Lücken beim Datenschutz geben, die mit krimineller Energie ausgenutzt werden könnten. Dagegen würden auch zusätzliche Selbstverpflichtungen nichts ausrichten.
Zu dem Treffen im Ministerium waren auch Vertreter anderer Unternehmen eingeladen. Allerdings sagten die meisten ab. Man hoffe auf mehr Zusagen bei einer eventuellen zweiten Runde, sagte eine Ministeriumssprecherin. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm unterstrich vor dem Treffen, die Bespitzelung sei in jeder Hinsicht inakzeptabel. Eine Wiederholung müsse verhindert werden.
Das Treffen war schon im Vorfeld heftig kritisiert worden. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) bezeichnete das Krisentreffen im Bundesministerium als "reine Schaufensterpolitik". BDK-Chef Klaus Jansen sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montagausgabe): "Es reicht nicht, sich nach den unfassbaren Vorgängen bei der Telekom zu Kaffee und Plätzchen zu verabreden." Diese lasche Reaktion sei fatal. "So wird der Branche signalisiert, dass alles halb so wild ist, obwohl strikte Vorgaben dringend erforderlich wären", sagte Jansen. Die Kontrolle der Wirtschaft durch Datenschützer müsse massiv ausgebaut werden.
Der Datenschutzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Joerg Tauss, kritisierte Schäuble: Dieser habe alle Initiativen für einen besseren Datenschutz innerhalb der Koalition abgeblockt. "Mit seiner unsäglichen Parole, "wer nichts zu verbergen habe, brauche auch vor Überwachung keine Sorge zu haben", hat er die Verlotterung des Datenschutzes in Deutschland eingeleitet", sagte Tauss in Berlin. Eine in der Koalition diskutierte Verbesserung des Datenschutzes, unter anderem ein Datenschutzaudit für seriöse Firmen, sei vom Innenministerium mit Hinweis auf "Wirtschaftsinteressen" verhindert worden. Dabei habe sich pikanterweise gerade die Telekom sehr positiv für ein Datenschutzaudit ausgesprochen - "Schäuble war es, der es nicht wollte".
Keine Ermittlungen gegen Wegner
Die Bonner Staatsanwaltschaft wies unterdessen Presseberichte zurück, wonach sie auch gegen den Betriebsratschef Wilhelm Wegner ermittelt. In den Berichten hatte es geheißen, dem Aufsichtsratsmitglied, das 2005 Opfer der Ausspähung durch die Telekom-Konzernsicherheit wurde, könnte der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vorgeworfen werden.
Wegner soll Kontakt zur einem Journalisten der Zeitschrift "Capital" gehabt haben. Dieser Kontakt soll bei der Suche nach undichten Stellen bei der Telekom durch den Abgleich von Telefon-Verbindungsdaten aufgedeckt worden sein. Konsequenzen für Wegner hatte das damals aber offenbar nicht.
Unbefugte Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen wäre laut Aktiengesetz mit Haft bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe zu ahnden. Allerdings handelt es um ein Antragsdelikt. Die Strafverfolgungsbehörde kann nicht von sich aus tätig werden, sondern darf nur auf Antrag des Unternehmens handeln.
Quelle: ntv.de