Folge der Rezession Kreditvergabe eingeschränkt
29.01.2009, 16:51 UhrDie Rezession hat erstmals zu einem monatlichen Rückgang der Kredite an Unternehmen und Haushalte seit Bestehen der europäischen Währungsunion geführt. Ob diese Entwicklung auf eine Kreditverknappung der Banken, also eine Kreditklemme, zurückzuführen ist oder durch eine sinkende Nachfrage nach Kredit durch Wirtschaft und Verbraucher verursacht wurde, bleibt unter Experten indes umstritten.
Nach Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) sank die Gesamtsumme der Kredite, die von den Banken ausgereicht wurden, im Dezember im Monatsvergleich um 47 Mrd. Euro (0,4 Prozent). Es ist das erste Mal seit Beginn der Datenerhebung kurz vor dem Start der Währungsunion 1998. Auf Jahressicht verlangsamte sich damit das Wachstum der Kreditsumme auf 5,8 Prozent, nach 7,1 Prozent im November.
Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise interpretierte die Zahlen als Beleg dafür, dass die Kreditvergabe mittlerweile "deutlich eingeschränkt" sei. "Ob man von einer Kreditklemme sprechen kann ist Definitionssache." Es sei in jedem Fall zu beobachten, dass einige Projekte in der Industrie wegen der nicht zustande kommenden Finanzierung nicht realisiert werden könnten. "Es gibt ganz klar eine Verknappung und Verteuerung von Kredit."
Firmen spüren keine Verschärfung
Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert sagte dagegen, er glaube, dass angesichts der Rezession viele Unternehmen ihren Mittelbedarf für Neuinvestitionen reduziert hätten. "Angesichts der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung ist ein Rückgang der Kreditdynamik nicht wirklich überraschend. Die Nachfrage nach zusätzlichen Finanzierungsmitteln für Investitionen dürfte deutlich zurückgeschraubt worden sein. Eine Kreditklemme kann ich nicht identifizieren."
Auch Deutschlands Firmen haben zum Jahresauftakt nach einer Ifo-Umfrage keine Verschärfung ihrer Finanzierungssituation gespürt. Befürchtungen einer drohenden Kreditklemme hätten sich damit nicht verstärkt, erklärte das Münchner Ifo-Institut zu seiner Umfrage unter 4000 Unternehmen. Im Verarbeitenden Gewerbe habe sich die Situation sogar leicht entspannt: "Seit Sommer des vergangenen Jahres klagen zwar speziell große Industriefirmen über Kreditrestriktionen, doch haben diese Klagen im Januar etwas abgenommen."
Mehr Spielraum für Zinssenkungen
Das Wachstum der für die Zinspolitik der EZB wichtigen Geldmenge M3 ging im Dezember mit 7,3 Prozent leicht zurück. Analysten hatten im Schnitt mit einem Zuwachs um 7,6 Prozent gerechnet. Im gleitenden Dreimonatsdurchschnitt (Oktober bis Dezember) wuchs M3 mit einer Jahresrate von 7,9 Prozent. M3 umfasst unter anderem Bargeld, Einlagen auf Girokonten, kurzfristige Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen bis zu zwei Jahren Laufzeit.
Analysten erklärten, die nachlassende Wachstumsdynamik von M3 eröffne der EZB Spielraum für weitere Zinssenkungen. Die Notenbank sieht in einer Ausweitung von M3 die Gefahr einer zunehmenden Inflation. Sie hatte sich in der Vergangenheit ein Wachstum von 4,5 Prozent als Referenzwert gesetzt, allerdings ihre Entscheidungen schon längere Zeit kaum mehr von der Geldmengenentwicklung abhängig gemacht. Diese spielt jedoch in der geldpolitischen Strategie der Frankfurter Währungshüter nach wie vor eine wichtige Rolle.
Quelle: ntv.de