Barclays zieht zurück Lehman vor Zerschlagung
14.09.2008, 20:15 UhrEine Krisensitzung von führenden US-Finanzbehörden zur Rettung der angeschlagenen Investmentbank Lehman Brothers ist auf Sonntag vertagt worden. Dies sagte ein Sprecher der Notenbank Fed. Kleinere Gruppen arbeiteten weiter an Einzelfragen. Genaue Angaben dazu machte der Sprecher zunächst nicht. Am Freitag und Samstag war es den Finanzinstituten noch nicht gelungen, sich bei ihrer Sitzung auf eine Lösung für die um ihr Überleben kämpfende Traditionsbank zu verständigen. Ein Kollaps des Geldhauses könnte die Finanzbranche weltweit weiter belasten.
An den Treffen sind unter anderem die Chefs von großen US-Banken wie Goldman Sachs und der Citigroup beteiligt wie auch der Chef der New Yorker Fed und Finanzminister Henry Paulson sowie der Vorsitzende der US-Börsenaufsicht SEC, Christopher Cox. Als Kaufinteressent gilt die Bank of America. Der "Financial Times" zufolge will sich die Bank mit dem Finanzinvestor JC Flowers und dem chinesischen Staatsfonds China Investment zusammen tun, um Lehman zu übernehmen.
Die britische Barclays Bank hat ihr Übernahmeangebot zurückgezogen. Barclays habe sich mit der US-Seite nicht über eine Begrenzung der bei Lehman Brothers noch drohenden Risiken einigen können, sagte ein Sprecher der Bank. Barclays galt zuvor mehreren Medien zufolge neben der Bank of America als einer der potenziellen Käufer für die komplette Investmentbank oder Teile davon.
Zerschlagung möglich
Anderen Medienberichten zufolge haben die an den Rettungsgesprächen beteiligten Großbanken neben einem Verkauf auch die Abwicklung von Lehman ins Gespräch gebracht. Es werde immer klarer, dass der ursprünglich geplante Verkauf der gesamten Bank an einen Konkurrenten kaum zu erzielen sei, berichtete das "Wall Street Journal". Ein Knackpunkt seien vom Ausfall bedrohte Kreditpapiere bei Lehman, die niemand im Alleingang oder ohne Unterstützung der US- Regierung übernehmen wolle. Finanzminister Henry Paulson hatte kategorisch klargemacht, dass von Washington diesmal keine finanziellen Hilfen zu erwarten seien. Nun gehe es in den Gesprächen vor allem um eine Zerschlagung der Investmentbank und wie man im Fall ihrer Pleite den Schaden für das weltweite Finanzsystem möglichst gering halten kann, hieß es.
Der aktuelle Rettungsplan sieht vor, dass Lehman Brothers in zwei Teile aufgespalten wird, wie es in übereinstimmenden Medienberichten hieß. Es wären eine "gute Bank", in der die sicheren Vermögenswerte gebündelt werden, und eine "schlechte Bank", in die vom Ausfall bedrohte Papiere vor allem aus dem Immobiliensektor kommen. Ein Käufer wie die Bank of America oder die britische Barclays Bank würde bei diesem Szenario die "gute Bank" übernehmen. Den notleidenden Teil von Lehman würden mehrere Wall-Street-Banken gemeinsam auf sich nehmen. Sie seien bereit, mit bis zu 30 Mrd. US-Dollar für mögliche Verluste einzustehen, berichtete die "New York Times".
Milliardenrisiko
Allerdings gebe es für diesen Plan auch zahlreiche Hindernisse. So liege das Gesamtvolumen der von Ausfall bedrohten Lehman-Papiere deutlich höher bei 85 Mrd. Dollar, wie das "Wall Street Journal" berichtet. Außerdem fänden es einige Banken unfair, wenn ein Käufer zum Schnäppchenpreis den gesunden Teil von Lehman Brothers bekommt und sich nicht an den Verlusten aus dem notleidenden Geschäft beteiligt, so die "Financial Times".
Lehman braucht dringend Kapital, um Verluste aus faulen Immobilienkrediten auszugleichen. Finanzminister Paulson soll Kreisen zufolge gegen den Einsatz von Steuergeldern sein, um das Traditionshaus zu retten. Auch die US-Präsidentschaftskandidaten haben sich gegen eine Verwendung von Staatsgeldern zur Rettung der Bank ausgesprochen. "Das ist eine privatwirtschaftliche Angelegenheit", sagte der wirtschaftliche Berater des Republikaners John McCain, Douglas Holtz-Eakin. Sein Gegenstück beim Demokraten Barack Obama, Jason Furman, sagte ebenfalls, bevorzugt werde eine "privatwirtschaftliche Lösung".
Parallelen zu Bear Stearns
Die Krise bei Lehman erinnert an das Schicksal von Bear Stearns: Die Investmentbank hatte im März wegen ähnlicher Probleme auf Druck der US-Notenbank ihrem Zwangsverkauf zugestimmt. Die US-Bank JPMorgan zahlte für Bear Stearns nur einen geringen Preis.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagte nach einem Treffen der EU-Finanzminister, die Entwicklung bei Lehman habe die weltweite Bankenkrise verschärft. Nun komme es auf professionelles Krisenmanagement an, um ein Übergreifen der Krise auf andere Banken zu verhindern. Er rechne mit einem Rettungspaket unter Leitung der US-Notenbank noch am Sonntag. Die Amerikaner wollten eine Lösung vor Öffnung der Märkte am Montag finden, sagte er.
Bundesbankpräsident Axel Weber erklärte, die Finanzmärkte hätten damit eine neue Runde der Anspannungen und Unsicherheiten erreicht. Wenn mit einer Auffanglösung eine ungeordnete Entwicklung in den USA mit Auswirkungen auf andere Institute dort verhindert werde, seien die Folgen für die deutschen Banken begrenzt. Die Bundesbank habe in der vergangenen Woche die Risikopositionen der deutschen Banken gegenüber Lehman geprüft. "Wir werden das genau beobachten und sind in Kontakt mit den amerikanischen Behörden."
Quelle: ntv.de