Pleite an der Wall Street Letzte Ölung für Lehman
15.09.2008, 15:21 UhrDie viertgrößte US-Investmentbank Lehman Brothers hat ihren Überlebenskampf verloren. Trotz dramatischer Rettungsverhandlungen der US-Regierung und anderer Wall-Street-Banken muss das 158 Jahre alte Traditionshaus mit deutschen Wurzeln Gläubigerschutz anmelden. Die Bank betonte zwar, dass der Wertpapierhandel und die Vermögensverwaltung von dem Insolenzantrag ausgenommen seien. Am Markt wurden die Aussichten für Lehman jedoch schwarz gesehen. Die Investmentbank hat insgesamt 25.000 Mitarbeiter.
Der Vertrauensverlust sei für Lehman so groß, dass er eine erfolgreiche Sanierung ausschließe, warnte der Professor an der Frankfurt School of Finance, Martin Faust. Das Verfahren unter Gläubigerschutz nach Kapitel elf des US-Insolvenzrechts sieht zwar vor, dass sich ein Unternehmen unter Aufsicht sanieren kann. Lehman betont auch, den Verkauf von Vermögensverwaltung und Aktienhandel voranzutreiben. Faust urteilte dagegen: "Lehman ist pleite. Der Name ist ruiniert."
BaFin stoppt deutsche Tochter
Nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank hat die Finanzaufsicht die Geschäfte der deutschen Tochter gestoppt. Die Lehman Brothers Bankhaus AG (LBBA) dürfe keine Veräußerungen und Zahlungen mehr vornehmen, wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn mitteilte.
Das Frankfurter Bankhaus habe Verbindlichkeiten in Höhe von 14,3 Mrd. Euro. Betroffen seien institutionelle Kunden, hieß es in der Mitteilung der BaFin. Die LBBA hat rund 140 Beschäftigte, wie ein Sprecher mitteilte. Schwerpunkte des Geschäfts sind der Handel mit Aktien und Anleihen sowie die Beratung etwa bei Firmenübernahmen.
Nach der Anordnung der BaFin darf die Bank auch keine Gelder mehr entgegennehmen, sofern sie nicht zur Tilgung von Krediten bestimmt sind. Das sogenannte Moratorium sei notwendig gewesen, um die noch verbliebenen Vermögenswerte zu sichern, erklärte die BaFin.
Begrenzt abgesichert
Die Einlagen der Kunden der LBBA sind laut BaFin im Rahmen des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes geschützt. Das Institut gehöre sowohl der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) als auch dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes Deutscher Banken an. Die Sicherungsgrenze liege pro Einleger bei 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals der Bank, dies sind hier rund 309 Mio. Euro.
Die Engagements deutscher Kreditinstitute bei Lehman insgesamt hielten sich "in einem überschaubaren Rahmen und seien verkraftbar", teilten die Bafin, das Bundesfinanzministerium und die Bundesbank in einer gemeinsamen Erklärung mit.
Fieberhafte Suche
Übers ganze Wochenende wurde in fieberhaften Verhandlungen in New York versucht, einen Zusammenbruch von Lehman Brothers abzuwenden. Angestrebt war zunächst ein Notverkauf, später eine Zerschlagung, um wenigstens den gesunden Teil des Finanzhauses unter Dach und Fach zu bringen. Die Gespräche scheiterten letztlich daran, dass US-Finanzminister Henry Paulson hart blieb und alle Forderungen nach finanzieller Unterstützung seitens der Regierung ausschlug. Washington war bereits bei dem Notverkauf des kleineren Lehman-Konkurrenten Bear Stearns im März und zur Rettung der Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac eingesprungen.
Unter den von der Finanzmarktkrise selbst getroffenen Banken wollte jedoch niemand für die milliardenschweren Risiken von Lehman einstehen. So scheiterte das Rettungskonzept, das die Abtrennung von 85 Mrd. Dollar an vom Ausfall bedrohten Papieren in eine "schlechte Bank" vorsah, schlicht daran, dass die Branche sich weigerte, diese zu stützen.
Horrorzahlen, vorläufige
Lehman war in der vergangenen Woche immer schneller in den Abgrund geschlittert. Am Mittwoch gab die Bank einen Quartalsverlust von 3,9 Mrd. Dollar bekannt. Zugleich kündigte sie eine Aufspaltung an, um mit dem Verkauf von Unternehmensteilen dringend benötigtes frisches Kapital zu besorgen. Die Anleger überzeugte das jedoch nicht. Die Aktie fiel weiter und verlor innerhalb einer Woche mehr als 80 Prozent an Wert. Das brach dem Traditionshaus schließlich das Genick.
Quelle: ntv.de