Jetzt wird gehortet Milch wird teurer
06.06.2008, 11:56 UhrIn Erwartung höherer Preise ist in den Supermärkten die Nachfrage nach Milch sprunghaft gestiegen. "Wir erleben einen Run auf preiswerte Milch", sagte der Sprecher des Einzelhandelsverbands HDE, Hubertus Pellengahr. Die Kunden bevorrateten sich vor allem mit billiger H-Milch. "Die Vorratskäufe sind jetzt viel stärker als während des Lieferstreiks." Die Verbraucher würden die Erhöhungen schon bald spüren, sagte Pellengahr. Die genaue Höhe lasse sich noch nicht benennen. "Da muss man jetzt abwarten, was Anfang der Woche passiert."
Die großen Einzelhandelsketten hatten den Milchbauern nach zehntägigen Protesten zugesagt, einen höheren Preis zu zahlen. Lidl hatte konkret eine Anhebung um zehn Cent pro Liter Milch und 20 Cent für ein Stück Butter zugesagt. Die anderen Discounter haben in Aussicht gestellt, dass sie sich einer Veränderung des Marktpreises nicht verschließen wollen. Bei Aldi Süd sind die Verhandlungen bereits angelaufen, Aldi Nord hat Gespräche in Aussicht gestellt.
Boykott nur ausgesetzt
Nach der Ankündigung der großen Handelsketten, über höhere Milchpreise verhandeln zu wollen, hatten die Bauern am Donnerstagabend die Belieferung der Molkereien wieder aufgenommen, bleiben aber kämpferisch. Die Verarbeiter gingen davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Tagen wieder vollständig normalisiert. Zum Teil sollten am Wochenende Sonderschichten gefahren werden, um Rückstände aufzuholen. Die Landwirte sehen den Konflikt auch nach der Ankündigung der großen Handelsketten, über höhere Milchpreise verhandeln zu wollen, noch nicht gelöst. "Wir sind mit unseren Aktionen weitergekommen. Der Boykott ist aber noch nicht endgültig zu Ende, sondern nur ausgesetzt", sagte Baden-Württembergs Landesvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Georg Wallner. Es müsse erst abgewartet werden, ob die Handelsketten tatsächlich dauerhaft die Milchpreise erhöhten.
Insgesamt zeigten sich die Milchbauern nur verhalten optimistisch. "Wir haben gestern nicht gefeiert und müssen erst abwarten, ob wir unseren Kampf nicht doch noch fortzuführen haben", sagte Niedersachsens BDM-Landesvorsitzender Christian Niemann. Die Verhandlungsbereitschaft der großen Handelsketten sei nur ein Etappensieg. "Ich will erst die nächsten Tage abwarten und den Verhandlungen nicht vorgreifen." Der geforderte Abnahmepreis von 43 Cent pro Liter sei zudem nicht das einzige Ziel. Das gesamte Preis- und Liefersystem gehöre reformiert.
Mit dem Rücken zur Wand
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner forderte eine Änderung des Kartellrechts. Ein paar große Lebensmitteleinzelhändler seien in der Lage, die Molkereien an die Wand zu drücken, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes dem Sender NDR Info. Zugleich müssten die Bauern sich in der Angebotsstruktur anders aufstellen, um nicht immer so ausgespielt zu werden. Die Zusagen des Handels seien kein Grund für Euphorie, aber ein entscheidender Schritt. "Wir müssen sehen, dass am Weltmarkt die Milchpreise anziehen. Es geht langsam aufwärts."
"Ich bin überzeugt, dass die Aktion von Lidl den Preis für die Landwirte nur minimal verbessert", sagte Nordmilch-Vertriebsvorstand Martin Mischel der "Süddeutschen Zeitung". "Sie werden dadurch vielleicht 0,3 Cent pro Liter mehr erhalten." Lidl wolle nur die Preise für Butter und Milch erhöhen. Die Produktpalette im Milchregal sei aber erheblich breiter. "Der Hauptteil der von den Bauern gelieferten Milch wird für die Herstellung von Käse, Milchpulver, Quark oder Joghurt verwendet", sagte Mischel.
Auch der Geschäftsführer des Edelweiß-Milchwerks in Kempten, Ulrich Kraut, betonte, bislang habe der Handel nur die Bereitschaft gezeigt, für Trinkmilch und Butter mehr zu bezahlen. "Jetzt müssen auch die Molkereien, die ein anderes Sortiment haben, in Verhandlungen treten." Kraut ist zuversichtlich, dass es langfristig zu einer Lösung kommen wird, die für alle Seiten akzeptabel ist. "Das geht nun mal nicht von heute auf morgen. Aber ein Anfang ist geschafft."
Milchgipfel geplant
Um mögliche neue Streiks zu verhindern, will Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer "in Kürze" zu einem Milchgipfel einladen. Seehofer (CSU) sagte dem "Tagesspiegel", er wolle Bauern, Vertreter der Bundesländer und alle Beteiligten der Milchwirtschaft bei einem Milchgipfel an einen Tisch bringen. Dabei solle es auch um die Frage gehen, "wie es um die Angebotsmacht der Bauern gegenüber anderen Wirtschaftsbeteiligten steht", sagte Seehofer.
Der Minister forderte, den Landwirten "einen vernünftigen Preis für ihre Produkte zu zahlen". Seehofer begrüßte das Ende des Milchboykotts und die Bereitschaft einiger Einzelhändler, die Preise zu erhöhen. "Ich habe in einem Vierteljahrhundert Politik schon vieles begleitet, aber die Milchpreisverhandlungen waren der mit Abstand sensibelste Bereich", meinte Seehofer. "Noch schwieriger als die Gesundheitsreform."
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, sagte im Deutschlandfunk zu der Einigung: "Akut ist die Kuh von dem dünnen Eis gezogen, aber das Problem ist damit noch nicht grundsätzlich gelöst." Es müsse geklärt werden, wie viel man für Lebensmittel ausgeben und wie man mit Agrarsubventionen umgehen wolle.
Quelle: ntv.de