Erfolg für Post-Konkurrenz Mindestlohn rechtswidrig
18.12.2008, 19:43 UhrDer flächendeckende Mindestlohn für die Postbranche ist einem Gerichtsurteil zufolge unzulässig. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg folgte mit seiner Entscheidung einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom März. Die Bundesregierung legte umgehend Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein. Damit geht der Streit in die dritte Runde und die Mindestlöhne bleiben vorerst in Kraft.
Die große Koalition habe mit der Mindestlohn-Verordnung ihre Kompetenzen überschritten, urteilten die Richter. Die Vorgabe dürfe nur für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten und könne damit nicht auf die gesamte Branche der Briefdienste und ihre rund 220.000 Mitarbeiter ausgeweitet werden. (AZ OVG 1 B 13.08) Der Mindestlohn war zwischen dem von der Deutschen Post dominierten Arbeitgeberverband Postdienste und der Gewerkschaft Verdi ausgehandelt und von der Bundesregierung dann zu Jahresbeginn für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Dagegen haben Post-Konkurrenten wie der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) sowie die Unternehmen PIN und TNT aus den Niederlanden geklagt. Sie warfen der Regierung vor, sie verursache mit dem Mindestlohn von 8,00 bis 9,80 Euro pro Stunde eine Steigerung der Lohnkosten um etwa 20 Prozent. Dies beeinträchtige ihre Chancen im Wettbewerb erheblich. Ein Großteil der Gesellschaften des Zustellers PIN hat Insolvenz angemeldet, nachdem der Verlag Axel Springer nach der Mindestlohn-Entscheidung des Bundestags den Geldhahn zugedreht hatte.
Die Kläger kritisierten die Verordnung zudem als Eingriff in ihre Tarifautonomie. Der Verband hatte im Dezember 2007 mit der neuen Gewerkschaft "Neue Brief- und Zustelldienste" (GNBZ) einen Tarifvertrag geschlossen und dabei ein Entgelt unterhalb des Mindestlohnes vereinbart. TNT zahlt eigenen Angaben zufolge 7,50 Euro je Stunde. Die Richter gaben der Post-Konkurrenz Recht: Der Kläger könne sich als Arbeitgeberverband auf seine Tarifautonomie berufen, hieß es in der Entscheidung.
"Dämpfer für SPD-Forderungen"
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) wies das Urteil zurück. "Die Bundesregierung sieht die Verordnung nach wie vor als rechtmäßig an", erklärte er. Zentrales Ziel der Regelung sei es, einheitliche Bedingungen zu schaffen, die nicht durch andere tarifliche Vereinbarungen unterlaufen würden. Verdi forderte Scholz auf, diesem Ziel nun "einen belastbaren gesetzlichen Rahmen" zu geben. Die Deutsche Post verteidigte den Mindestlohn als Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb, während TNT ihn weiterhin als Hemmschuh dafür bezeichnete.
Arbeitgeber und CDU-Vertreter werteten das Urteil als Rückschlag für die sozialdemokratischen Forderungen nach weiteren Untergrenzen beim Lohn. Scholz müsse Konsequenzen ziehen und die Regelung umgehend zurücknehmen, forderte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. "Die Bestrebungen, für weitere Branchen Mindestlöhne festzulegen, haben einen deutlichen Dämpfer erhalten", betonte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU).
Das Oberverwaltungsgericht wies zugleich aus formellen Gründen Klagen mehrerer Post-Konkurrenten ab, in denen es um den Anspruch ihrer Arbeitnehmer auf den gesetzlichen Mindestlohn ging. Diese Frage müsse vor Arbeitsgerichten geklärt werden. Die Richter nahmen auch keine Stellung zur Frage, ob ein Mindestlohn für die Briefdienstleister verfassungsrechtlich zulässig war. Auf damit zusammenhängende Fragen sei es bei der Entscheidung nicht angekommen, sagte der Senatsvorsitzende Boris Wolnicki.
Quelle: ntv.de