Wirtschaftsweise Neue Regeln für Staatsschulden
20.01.2007, 13:35 UhrDie Wirtschaftsweisen haben einem Magazinbericht zufolge eine "goldene Regel" zur Begrenzung der staatlichen Neuverschuldung vorgeschlagen. Sie hätten dem Finanzministerium geraten, die Aufnahme neuer Kredite auf das Maß zu beschränken, in dem der Staat sein Vermögen -etwa in Form neuer Verkehrswege -mehre, berichtete "Der Spiegel" am Samstag vorab. Den Experten des Ministeriums gehe das nicht weit genug. Sie wollten Bund und Länder zu einem ausgeglichenen Etat innerhalb des Konjunkturverlaufs verpflichten. Der Chef des Haushaltsausschusses im Bundestag, Otto Fricke (FDP), äußerte sich in eine ähnliche Richtung. "Die Verfassungsregel mit der Kopplung der zulässigen Höhe der Staatsverschuldung an die Höhe der Investitionen ist überholt", sagte Fricke dem "Kurier am Sonntag" (Bremen). Sie stamme aus Zeiten hoher Infrastrukturausgaben für Straßen und Wohnungsbau. "In der modernen, globalisierten Dienstleistungsgesellschaft muss der Staat in Dinge investieren, die gar keine Investitionen im Sinne unserer Verfassung sind: in Köpfe, in Bildung."
Den Vorschlag der Wirtschaftsweisen hätten deren Vorsitzender Bert Rürup sowie seine Kollegen Peter Bofinger und Wolfgang Wiegard vorgestellt, schrieb der "Spiegel". Die Inhalte wurden von einem Sprecher des Ministeriums nicht bestätigt. Er merkte aber an, derzeit würden vielfältige Überlegungen zum Thema neuer Verschuldungsregeln angestellt und debattiert. Festlegungen gebe es noch nicht. Entscheidungen dazu ständen kurzfristig nicht an.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung -so der offizielle Name der Wirtschaftsweisen -ist von der Bundesregierung beauftragt worden, in einem Sondergutachten Vorschläge für die Neuregelung der föderalen Finanzbeziehungen vorzulegen. Der Vorschlag würde nach Darstellung des "Spiegel" bedeuten, dass Bund und Länder jährlich bis zu zehn Milliarden Euro Kredite aufnehmen könnten. Der Bund allein hatte 2006 neue Schulden von 27,9 Milliarden Euro gemacht, rund zehn Millliarden mehr als ursprünglich geplant.
Hintergrund der Debatte über Schuldenregeln ist unter anderem die Verpflichtung der EU-Staaten, unterhalb der Defizitmarke von drei Prozent zu bleiben. Das gelang Deutschland 2006 zum ersten Mal wieder seit 2001. Die Vorgabe der Verfassung, die Neuverschuldung nicht über die Investitionssumme hinaus steigen zu lassen, hatten in den letzten Jahren der Bund und etliche Länder wiederholt nicht einhalten können.
Die Wirtschaftsweisen schlugen dem Magazin zufolge auch einen neuen Stabilitätsrat vor. Das Gremium solle aus Wissenschaftlern von Instituten, Bundesbank und Universitäten bestehen und Alarm schlagen, wenn die Staatsfinanzen aus dem Ruder liefen.
Fricke forderte in einem Interview des Bremer "Kurier am Sonntag" wie zuvor Finanzpolitiker anderer Parteien, schärfere und wirksamere Schuldenregeln für den Staat aufzustellen. Die geltende Verschuldungsregel des Grundgesetzes sei nicht mehr zeitgemäß und müsse überarbeitet werden. Sympathie ließ der FDP-Politiker für das Schweizer Modell einer "Schuldenbremse" erkennen. Danach wäre eine Verschuldung in bestimmten Grenzen erlaubt, die innerhalb eines Konjunkturzyklusses wieder abgetragen werden muss.
Quelle: ntv.de