Förderhöhepunkt vorbei? Öl-Engpässe absehbar
22.05.2008, 07:08 UhrWegen rückläufiger Ölfördermengen drohen einer Studie zufolge in den kommenden Jahrzehnten weltweit Versorgungsengpässe. Die Ölförderung habe bereits 2006 ihren Höhepunkt - den sogenannten Peak Oil - überschritten, heißt es in einer von der Energy Watch Group vorgestellten Studie.
Künftig werde die Ölförderung um einige Prozentpunkte pro Jahr zurückgehen, "bis 2020 und erst recht bis 2030 ist ein dramatischer Rückgang der weltweiten Ölförderung zu erwarten". Dadurch entstehe eine Versorgungslücke, die sich in diesem Zeitrahmen kaum durch andere Energiequellen schließen lasse. Während die Studie in Berlin vorgestellt wurde, knackte der Ölpreis erstmals die Rekordmarke von 130 Dollar. Dieser Preis sei "nicht das Ende einer Entwicklung, sondern eher der Anfang vom Ende", stellte der Energiemarkt-Analytiker der Deutschen Bank, Josef Auer, fest.
Die rückläufigen Fördermengen seien auch der Grund für die Preisexplosion beim Öl, erläuterte Werner Zittel, einer der Autoren der Studie. Die Hoffnung, dass der Preis durch Spekulationen angefeuert werde und dass diese Spekulationsblase eines Tages platze, sei vergebens. Zittel geht sogar davon aus, dass die weltweite Ölförderung bis 2030 bis auf die Hälfte sinken könnte.
Für die Industrieländer könnte dann kaum noch Erdöl für Importe zur Verfügung stehen, sagte Zittel weiter. Da die Zahl der exportierenden Länder zurückgehe und die Staaten das Öl selbst brauchen würden, sei kaum noch mit Exporten zu rechnen.
IEA sagte 2004 22 Dollar pro Barrel voraus
Die Energy Watch Group warf der Internationalen Energie-Agentur IEA vor, die Ölreserven zu überschätzen und sich dramatisch bei der Preisentwicklung verkalkuliert zu haben. So habe die IEA im Jahr 2004 für 2008 einen Preis von 22 Dollar vorhergesagt. Nötig sei daher ein drastisches Umsteuern auf erneuerbare Energien und kein Schönreden der Öl-Reserven.
Josef Auer von Deutsche-Bank-Research sagte, die IEA-Prognosen hätten ihn wiederholt enttäuscht. "Unsere Industrie war nicht richtig auf die Preisentwicklung eingestellt." Der Preis von 130 Dollar pro Fass sei erst ein Anfang, er werde weiter nach oben gehen.
Streit um Reserven
Der Studie zufolge werden die verbleibenden Weltölreserven nach Angaben der Industriedatenbank auf 1255 Giga-Barrel, also auf 1255 Milliarden Barrel (ein Barrel sind 159 Liter) geschätzt. Die Energy Watch Group setzt die Schätzung deutlich niedriger an: Sie geht von 854 Giga-Barrel aus. Die Gruppe wurde auf Initiative internationaler Parlamentarier gegründet, unabhängige Wissenschaftler analysieren für sie die Verfügbarkeit fossiler und erneuerbarer Energien.
Bei einem Rückgang der Förderung werde der Ölpreis jährlich zwischen 30 und 50 Prozent steigen, erklärte Aribert Peters, der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher. Davon gehe er aufgrund von Studien aus. "Das wird die sozial Schwachen besonders hart treffen", warnte Peters.
Irreführung durch die Energiewirtschaft
Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Hans-Josef Fell, kritisierte, die Internationale Energieagentur und die Mineralölkonzerne hätten zu lange die "irreführende Botschaft" verbreitet, dass es langfristig genügend Öl gebe, die Preise niedrig blieben und deshalb keine Alternativen nötig seien: "Das hat sich als fataler Irrtum erwiesen." Wer jetzt niedrigere Energiesteuern oder die Erhöhung der Pendlerpauschale wolle, rufe zu "Subventionen in Brandbeschleuniger auf, da hier offensichtlich der Brand mit Benzin gelöscht werden soll". Gefragt sei vielmehr der Umstieg auf erneuerbare Energien. Fell ist Initiator der Energy Watch Group.
In New York kostete ein Barrel der Sorte Light Sweet Crude zwischenzeitlich 130,47 Dollar und war damit so teuer wie nie zuvor. In London stieg der Preis für ein Fass der Nordseesorte Brent auf 129,92 Dollar. Der Ölpreis hat seit Jahresbeginn seine Rekordjagd ungebrochen fortgesetzt: Am 2. Januar kostete ein Barrel erstmals 100 Dollar, Mitte März dann 110 und Anfang Mai 120 Dollar.
OPEC beschwichtigt
Die OPEC führt die Preissprünge beim Öl nach wie vor auf Spekulationen zurück. Nach OPEC-Präsident Schakib Chelil äußerte sich auch der Ölminister des OPEC-Mitgliedstaates Venezuela, Rafael Ramirez, entsprechend: "Die Preise sind wegen Spekulationen, der Schwäche des Dollar und der weltweiten Inflation so spektakulär gestiegen", sagte Ramirez. Mit Angebot und Nachfrage habe das nichts zu tun: "Es gibt genug Öl am Markt", sagte der Minister.
Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete derweil ein Gesetz gegen das Ölförderkartell, dessen Mitgliedstaaten rund 40 Prozent des Erdöls weltweit produzieren. Es ermächtigt die US-Regierung, vor der US-Justiz wegen mutmaßlicher Preisabsprachen gegen OPEC-Länder zu klagen. US-Präsident George W. Bush kündigte sein Veto an.
Quelle: ntv.de