Insolvenz möglich Opel-Entscheidung naht
25.05.2009, 13:41 UhrDas Ringen um Opel sorgt nicht nur am Fließband für Unruhe. Auch Arbeitnehmervertreter warnen vor einer voreiligen Entscheidung. Mit Blick auf die Lage in den USA bringen sie einen neuen Vorschlag zur Diskussion.
Für die 25.000 Opel-Mitarbeiter wird es von Mittwoch an ernst. Das Bieterverfahren um einen Einstieg bei dem Autobauer und eine Herauslösung aus dem US-Mutterkonzern General Motors (GM) geht in die entscheidende Runde. Bis Mitte der Woche will die Bundesregierung ihre Position für die Verhandlungen mit der US- Regierung und GM klären. Offen ist, welcher der drei Investoren das Rennen macht und wie viele Arbeitsplätze in den vier Werken verloren gehen.
Nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wird nach wie vor mit allen drei Interessenten gesprochen: dem italienischen Opel- Konkurrenten Fiat, dem österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna und dem US-Investor Ripplewood. Ende der Woche wird dann in den USA eine Entscheidung über GM fallen - es wird eine Insolvenz erwartet. Damit ist auch eine Insolvenz der deutschen Tochter möglich. Wilhelm versuchte dem Eindruck entgegenzuwirken, die unterschiedlichen Gespräche von Regierungsmitgliedern mit Interessenten seien dem Wahlkampf geschuldet. Die Bundesregierung gehe geordnet und gemeinsam vor. Über die Inhalte der Einzel- Gespräche werde stets umgehend informiert und am Ende wieder zusammengeführt.
"Entscheidende Woche"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einer "Kumulation der Entscheidungsmöglichkeiten". Wilhelm ergänzte: "Diese Woche wird eine entscheidende Woche sein." Nach seinen Worten will die deutsche Seite noch vor einem möglichen Insolvenzverfahren von GM in den USA entscheiden. Bis Mittwoch sollen über eine Brückenfinanzierung und ein Treuhandmodell endgültig entschieden werden. Es gebe weiterhin Bewegung in den Positionen - auch auf amerikanischer Seite. US-Präsident Barack Obama sieht die Zukunft des Konzerns inzwischen offenbar etwas zuversichtlicher. Das Engagement der US-Regierung liegt inzwischen bei rund 15 Mrd. Euro.
Merkel betonte, es gelte nach wie vor, die Verhandlungsposition "in allen Facetten ins Auge zu fassen". Mit Blick auf die Kritik von SPD, Gewerkschaften und CDU-Ministerpräsidenten mit Opel-Standorten an Äußerungen von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der eine "geordnete Insolvenz" von Opel nicht ausschließen will, riet sie, Positionen nicht gegeneinander auszuspielen.
Der Unions-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter (CDU) warnte davor, mit üppigen Staatshilfen Wahlkampf auf Kosten der Steuerzahler zu machen. Eine Insolvenz bleibe selbstverständlich eine Option. "Sie ist die beste Versicherung gegen eine Erpressung durch die Investoren und damit im Sinne des Steuerzahlers." Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nannte eine Insolvenz die "schlechteste aller denkbaren Lösungen". Betroffen seien Pensionszahlungen sowie Zulieferer. Die Politik müsse alles tun, um eine Insolvenz zu vermeiden. Es sei aber unrealistisch, Stellenabbau komplett zu vermeiden.
Wilhelm sagte, es gehe darum, viele Standorte und Arbeitsplätze von Opel zu erhalten und eine Insolvenz zu vermeiden. Darüber bestehe Einigkeit in der Regierung. Seinen Angaben zufolge trifft Merkel in der ersten Wochenhälfte Fiat-Chef Sergio Marchionne. Laut Medienberichten ist das Treffen für diesen Dienstag geplant. An diesem Tag soll der Fiat-Chef auch mit Guttenberg zusammentreffen. Am Sonntag sprachen Merkel und Guttenberg bereits mit Vertretern von Magna. Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) war laut Wilhelm am Sonntag ebenfalls mit der Magna-Spitze zusammengekommen.
Die Opposition kritisierte die Bundesregierung. "Es ist schäbig, dass die Opel-Mitarbeiter und ihre Familien, die in so großer Sorge sind, jetzt zum Spielball des Wahlkampfes zwischen Schwarzen und Roten werden. Opel wird zu einem gigantischen Wahlkampfmanöver der großen Koalition", meinte FDP-Chef Guido Westerwelle. Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin sagte, die Arbeiter von Opel und deren Familien hätten nicht verdient, dass "der Kampf, wer in der Union wirtschaftlich das Sagen hat", auf deren Rücken ausgetragen werde.
Arbeitnehmer mahnen zur Geduld
Unterdessen warnen Arbeitnehmervertreter vor einer zu schnellen Entscheidung für einen Bieter. "Im Moment geht Qualität vor Geschwindigkeit. Das, was wir jetzt entscheiden, muss langfristig tragen", sagte Opel-Aufsichtsratsmitglied und IG-Metall-Bezirksleiter Frankfurt, Armin Schild.
Um sich bei den Verhandlungen mit Investoren von dem Druck einer drohenden Insolvenz von GM noch in dieser Woche zu befreien, solle sich der Staat vorübergehend direkt oder mittelbar - etwa über die Förderbank KfW - an Opel beteiligen. Dann könne die Regierung "auch ohne Blick auf die Uhr oder den Kalender mit den Interessenten seriöse Verhandlungen führen" und sich einen zeitlichen Puffer für eine fundierte Entscheidung schaffen.
Der Staat als Puffer
Von der Entscheidung machen die Arbeitnehmervertreter auch ihre Zustimmung zu den geplanten Einsparungen von 1,2 Mrd. Dollar bei der Belegschaft abhängig. Diese Kürzungen sollen in eine Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter umgewandelt werden.
Vergangenen Mittwoch hatten die Opel-Interessenten Fiat , Magna und Ripplewood ihre Konzepte für einen Einstieg bei Opel abgegeben. Die Modelle von Fiat und Magna waren jedoch bei Arbeitnehmern und Teilen der Politik auf Ablehnung gestoßen.
Beide Unternehmen hatten daraufhin noch mal nachgelegt, aber dennoch nicht die Akzeptanz von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gefunden. Er hatten eine Insolvenz von Opel nicht ausgeschlossen und war damit auf harsche Kritik gestoßen. "Damit beschädigt er das Unternehmen", schloss sich Schild den Protesten an.
"Wir haben um Hilfe gebeten, Insolvenz können wir ganz alleine. Dafür brauchen wir nicht das Wirtschaftsministerium." Ein derartiger Schritt würde für Opel unkalkulierbare Risiken mit sich bringen.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts