Das große Feilschen Opel-Treffen im Kanzleramt
27.05.2009, 18:28 Uhr
Kanzleramt, 27. Mai 2009: Drinnen verhandeln Länderchefs mit Konzernlenkern über Geld und Arbeitsplätze.
(Foto: AP)
Das Spitzentreffen im Kanzleramt läuft: Fiat-Chef Sergio Marchionne, Magna-Gründer Frank Stronach und GM-Europe-Manager Carl-Peter Forster verhandeln im Kanzleramt zusammen mit Vertretern aus der deutschen Politik über die Zukunft von Opel.
Zu erneuten Beratungen über die Zukunft des deutschen Autobauers Opel ist eine Spitzenrunde von Bund und Ländern am Mittwochabend in Berlin zusammengekommen. Die Runde will sich auf eine Zwischenfinanzierung für Opel im Rahmen eines sogenannten Treuhandmodells verständigen.
Zuvor hatte der amerikanische Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) angekündigt, die europäischen Konzernteile auf Opel zu übertragen. Dies ist Voraussetzung für eine Brückenfinanzierung und das Treuhandmodell. Auf diesem Wege wollen die Bundesregierung und die vier Länder mit Opel-Standorten Zeit für die Verhandlungen mit einem Investor gewinnen.
Bei der Spitzenrunde im Berliner Kanzleramt lagen drei Konzepte auf dem Tisch. Die chancenreichsten Bieter im Wettbewerb sind der italienische Autobauer Fiat sowie der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna. Dem amerikanischen Finanzinvestor Ripplewood werden nur geringe Chancen eingeräumt. Zuletzt hatte auch das chinesische Unternehmen BAIC Interesse bekundet, kam aber mit seinem Konzept für die Runde zu spät. Die Vorstellungen von BAIC sollen dennoch in den nächsten Tagen geprüft werden.
Unterdessen berief die EU-Kommission angesichts der Krise von GM für Freitag ein Treffen mit den Wirtschafts- und Industrieministern der betroffenen EU-Staaten ein.
Jeder kämpft für sich
Fiat-Chef Sergio Marchionne gab bei seiner Ankunft keinen Kommentar ab. Magna-Chef Frank Stronach sagte: "Wir sehen für Opel eine sehr gute Zukunft und glauben, dass wir dazu ein großes Stück beitragen können".
Auch der Europachef von General Motors (GM), Carl-Peter Forster, ist bei dem Gespräch auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel dabei.
Die Bundesregierung will sich bei dem Treffen voraussichtlich noch nicht auf einen bevorzugten Käufer festlegen. Sie erwartet von der Zusammenkunft vor allem Fortschritte bei der vorübergehenden Finanzierung des Rüsselsheimer Autobauers im Falle einer GM-Pleite. Opel soll in einem Treuhand-Modell zeitlich begrenzt von einem unabhängigen Verwalter geleitet werden.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sagte vor Beginn der Gespräche, es gehe auch um eine faire Lastenverteilung zwischen den Ländern mit Opel-Standorten. "Es kann nicht sein, dass der Personalabbau fast ausschließlich in Bochum stattfindet." Magna und Fiat hätten nachgebessert. "Man wird sehen müssen, ob das nicht noch besser werden kann." Eine Schlüsselentscheidung für einen Investor werde es an diesem Abend "garantiert nicht geben".
Chinesen fallen beim Betriebsrat durch
Der Opel-Betriebsrat hat mit Skepsis auf das Übernahmeangebot des chinesischen Autobauers Beijing Automotive Industry Corp. (BAIC) reagiert. Das Unternehmen habe "technologisch nichts zu bieten" und sei mit seinen Modellen bei den europäischen Crashtests durchgefallen, sagte Opel- Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz dem "Hamburger Abendblatt".
Allerdings müsse man alle Konzepte prüfen. Er habe bisher praktisch noch keine Informationen über die Pläne von BAIC. Franz rechnet damit, dass die "Verhandlungen mit einem Investor über eine gemeinsame Autogruppe nicht weniger als vier bis sechs Monate dauern" dürften.
Magna bietet Millionen
Der kanadisch-österreichische Autozulieferer Magna will sich einem Zeitungsbericht zufolge im Falle eines Zuschlags für sein Konzept an der geplanten Opel-Treuhand beteiligen. Der Konzern biete einen Beitrag von 200 Mio. Euro an, berichtete die "Rheinische Post" unter Berufung auf Unternehmenskreise.
Die Treuhand soll Opel in der Übergangsphase stützen, bis ein neuer Investor eingestiegen ist. Magna gilt neben dem italienischen Autobauer Fiat zu den Favoriten unter den Interessenten.
Steinmeier ist sich "sicher"
Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier hat sich optimistisch über die Erfolgsaussichten des Opel-Gipfels geäußert. "Ich bin mir sicher, wir werden heute Abend die staatliche Brückenfinanzierung unter Dach und Fach kriegen", sagte der Außenminister. Dies sei notwendig, denn Opel brauche diese Luft zum atmen.
Wenn die US-Mutter General Motors in den nächsten Tagen insolvent werden sollte, dürften bei Opel deswegen nicht die Lichter ausgehen. Es müssten im Verlauf des Abends die Weichen für eine eigenständige Zukunft des Rüsselsheimer Traditionskonzerns gestellt werden.
Daher dürften auch die vorliegenden Angebote für Opel nicht schlechtgeredet werden. "Wir müssen auch den Amerikaner signalisieren, mit welchem Partner wir bei Opel die Zukunft gestalten wollen", sagte Steinmeier.
Historische Weichenstellung
Die Bundesregierung will bei dem Spitzentreffen mit Unternehmens- und Arbeitnehmervertretern am Abend eine Grundsatzentscheidung für den Einstieg eines Opel-Investors fällen.
Zuvor hatte GM nach 80 Jahren die Weichen für die Eigenständigkeit von Opel gestellt. Kurz vor dem Gipfel im Kanzleramt beschloss der Opel-Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster die Übertragung europäischer Werke sowie der Rechte und Patente auf die Adam Opel GmbH.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts